Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
büßen. Für den Tod seines Bruders, ja, für seine Anmaßung und seine Torheit und die schweren Sünden der Selbstsucht und des Stolzes.
Er arbeitete abwechselnd eine Woche Tagschicht und eine Nachtschicht. Das war sein Lebensrhythmus, seit fünf Jahren. Und dann wurde er eines Tages in den Verwaltungstrakt bestellt, wo man ihm mitteilte, dass er entweder in Xamba bleiben und seine Arbeit als Vertrauensmann für den Rest seines Lebens fortsetzen konnte, oder als Freiwilliger auf den Mond, den Mond der Erde, gehen und in
einer neuen, experimentellen Gefängniseinrichtung arbeiten konnte, die von der europäischen Regierung und ihren Verbündeten in Großbrasilien, den Familien Peixoto und Nabuco, eingerichtet worden war. Nach zehn Jahren würde man ihm dann die Freiheit schenken, und er könnte ein Bürger der Europäischen Union werden.
Er fragte den Hauptmann, wo er nach seiner Freilassung hingehen könnte; die Frau zuckte die Achseln und sagte, wohin er wolle.
»Könnte ich zur Erde gehen?«
»Wenn Sie glauben, dass Sie dort überleben könnten, warum nicht?«
Zum ersten Mal seit seiner Verhaftung spürte Felice Gottschalk einen kleinen Funken Hoffnung. Er hatte immer davon geträumt, die Luft der Erde zu atmen, unter ihrem blauen Himmel spazieren zu gehen und mit eigenen Augen ihre Wälder und Seen zu betrachten. Sicher würde er diese Gelegenheit erst bekommen, wenn er sie verdient hatte. Sein ermordeter Bruder, Dave #27, hatte einmal zu ihm gesagt, dass aus Bösem Gutes entstehen könnte, so wie Blumen auf Unrat wuchsen. Er hatte bereits fünf Jahre damit zugebracht, für seine Schlechtigkeit zu büßen. Vielleicht hätte er in zehn Jahren genug Buße getan und könnte ein neues Leben beginnen. Vielleicht könnte er ja einen Weg finden, sich wieder in den Dienst von Gott und Gaia zu stellen.
Also entschied er sich, zum Mond zu gehen.
Er reiste mit drei anderen Vertrauensleuten und einigen Dutzend von den Europäern ausgewählten Gefangenen: abgesetzte Vertreter aus Xambas Senat, Mitglieder der früheren Regierung von Bagdad, Enceladus, die bei Kriegsausbruch nach Xamba geflohen waren, und einige Anführer des gewaltfreien Widerstands. Vertrauensleute und Gefangene verbrachten die Reise in Kältesärgen, die im Frachtraum
eines Flugzeugs gestapelt waren, und nachdem dieses die Umlaufbahn um die Erde erreicht hatte, wurden sie in ein Shuttle umgeladen und weiter zum Mond und dem Gefängnis geflogen, wo man sie wieder zum Leben erweckte.
Felice Gottschalk erwachte im Gefängniskrankenhaus. Er fühlte sich schwach und durcheinander, und seine Haut brannte überall wie Feuer. Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass er während der Wiederbelebung ungewöhnlich starke Nebenwirkungen gehabt hatte. Dass er beinahe gestorben wäre. Am nächsten Tag, als er bei klarerem Verstand war, erfuhr er von der Medizintechnikerin, einer kleinen, vogelähnlichen Frau mit einer glatten roten Helmfrisur, die ihr blasses Gesicht umrahmte, und einer forschen, jedoch freundlichen Art, die restlichen schlechten Neuigkeiten: Er litt an den ersten Stadien einer Autoimmunerkrankung, die systemischem Lupus glich.
»Ihr Immunsystem greift das Bindegewebe in Ihren Gelenken und Ihrer Lunge an, und auch das Ihrer Haut«, sagte sie. »Haben Sie jemals an Hautausschlag gelitten, bevor Sie hierhergebracht wurden?«
»Jeder im Gefängnis hatte irgendein Hautproblem. Die Luft war nicht sehr sauber, und wir haben hauptsächlich synthetische Nahrungsmittel gegessen.«
»Sie leiden gerade an einer ausgeprägten Reaktion, die um die achtzig Prozent Ihres Körpers betrifft. Ich habe Ihnen Steroide gegen die Entzündung verabreicht. Sie haben auch eine leichte Lungenfunktionsstörung aufgrund von Narbenbildung, die von leichten Entzündungen herrührt. Die Entzündungen werden im Laufe der Zeit schlimmer werden. Sie werden mehr Mühe mit dem Atmen haben, und das wird Ihr Herz angreifen, weil Ihr Blut nicht genügend Sauerstoff transportiert und Ihr Herz deshalb stärker pumpen muss, um Sie am Leben zu erhalten. Und Sie
haben Leukämie im Anfangsstadium, weil Ihr Immunsystem die Knochenmarkzellen angreift, die neue Blutkörperchen produzieren – die Zellen, die den Sauerstoff transportieren. Ich kann das mit Transfusionen von Vollblut behandeln. Vielleicht kann ich es sogar mit einer Knochenmarkspende heilen, wenn ich einen Spender finde, dessen Gewebetyp Ihrem gleicht. Aber das wird nicht einfach sein«, sagte die Medizintechnikerin,
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