Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
einer Wandblende abgegeben, die sich von der Decke bis zum Boden erstreckte und von einem unregelmäßigen Muster aus Kreisen
und Ovalen umgeben war. Parallel zur Treppe floss ein Bächlein zwischen Gemüse – und Kräuterbeeten zu einer Fläche aus echtem Rasen und einer kleinen Pflanzung aus knorrigen und niedrigen Obstbäumen hinab.
Sri nahm ihren Helm ab, schloss die Augen und sog die kühle Luft ein, die nach feuchter Erde und grünen Pflanzen roch. Dann ging sie die weit geschwungene Treppe hinunter. Eine Hängematte hing zwischen zwei Apfelbäumen. In einer Nische unter der Treppe befanden sich eine Dusche und eine Toilette; in einer anderen ein Nahrungssynthetisierer. Anscheinend hatte Avernus von synthetischer Nahrung gelebt, ergänzt mit dem, was sie in ihrem kleinen Garten angebaut hatte. Strom lieferten Windturbinen, die draußen an der Oberfläche in einer Schlucht versteckt waren, und Thermogeneratoren, welche die Restwärme tief unter dem Eis anzapften. Sri versuchte sich vorzustellen, allein in dieser Erdhöhle zu leben, begraben unter Titans ewigem Eis, ohne ein anderes Wesen in einem Umkreis von zweitausend Kilometern, nichts als die Gesellschaft der eigenen Gedanken. Gemüse züchten. Die einfachen lebenserhaltenden Maßnahmen für den Garten ausführen. Gelegentlich einen Ausflug ins Tal oder auf die Hügel hinter den zerklüfteten Bergkämmen unternehmen.
Es war, als versuchte sie sich die alltäglichen Gewohnheiten eines Gespenstes vorzustellen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie sich die alte Frau von ihr abwandte und durch eine düstere Landschaft ging, bis sie in der Dunkelheit verschwand.
Nachdem Sri das Habitat genau erkundet hatte, kehrte sie nach draußen zurück, stieg den Weg hinunter und überquerte die hügeligen Dünen bis zum Luftschiff. Der Leutnant, der den Suchtrupp geleitet hatte, steuerte das Schiff zwei Kilometer in das Tal hinab, bis zu der Stelle, wo Avernus
ihr Schiff geparkt hatte: ein isolierter Landeplatz auf einem Feld voller riesiger Eisblöcke auf einer linsenförmigen Insel, die sich über die schwarzen Dünen erhob, die den Talboden bedeckten.
Die Landefläche war von einer von Sris Drohnen entdeckt worden, und bei einer hochauflösenden Tiefenradaruntersuchung der Umgebung war Avernus’ kleines Habitat gefunden worden. Größe und Form der Abdeckung, die in der Nähe entdeckt worden war, legten nahe, dass es sich bei Avernus’ Schiff um eine der Hitzeschildkapseln handelte, die die Außenweltler vor dem Krieg benutzt hatten, um Menschen und Waren durch die Atmosphäre des Titan zu transportieren. Niemand wusste, wann oder mit welchem Ziel das Schiff losgeflogen war. Auf dem Titan gab es weder Radar noch eine Flugleitzentrale, und das Schiff war wahrscheinlich getarnt gewesen und, nachdem es den Mond verlassen hatte, auf einer Flugbahn mit minimalem Energieaufwand geflogen, die nur kurze Brennphasen des Antriebs erforderte.
Sri war überzeugt davon, dass Avernus sich nicht mehr innerhalb des Saturnsystems aufhielt. Warum sollte sie das Risiko eingehen, entdeckt zu werden, indem sie von einem Mond zum anderen reiste? Nein, sie musste sich mit einem Schiff getroffen haben, das sie fortgebracht hatte. Vielleicht zum Neptun. Es gab Berichte über wachsende Aktivität auf Neptuns Monden. Euclides Peixoto redete darüber, eine Strafexpedition dorthin zu schicken. Es gab Gerüchte, dass die Pazifische Gemeinschaft heimlich in Kontakt mit Rebellen der Außenweltler stand.
Das Luftschiff sank nach unten und warf seine Anker. Sri kletterte hinaus und ging über die Landeplattform. Die haushohen Eisblöcke waren vom Kohlenwasserstoffsand wie Eier glattgeschmirgelt worden. Ein paar standen auf erodierten
Sockeln. Ein riesiger Skulpturengarten auf gewelltem schwarzem Sand.
Sie konnte keine Fußabdrücke entdecken – zweifellos hatte der stete Wind sie verweht. Sie trat aus dem Schatten des Luftschiffs heraus und ging zur Spitze der Insel. Eine Reihe schwarzer Dünen erstreckte sich zwischen abgeschmirgelten Steilwänden. Der Wind pfiff unablässig über die Helmkugel ihres Druckanzugs hinweg. Sri hatte beschlossen, die Suche nach Avernus nie aufzugeben, hatte davon geträumt, sie von einer langen und fruchtbaren Zusammenarbeit mit ihr zu überzeugen, doch der Gedanke, der Genzauberin hinaus in die Dunkelheit der Außenwelt am Rand des Sonnensystems zu folgen, erfüllte sie mit Schrecken.
Genug, dachte sie. Sie würde Gunter Lasky befragen – sie war sicher, dass
Weitere Kostenlose Bücher