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Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Titel: Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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während sie Felice Gottschalk direkt anblickte. »Wissen Sie, ich habe Ihre DNA durch einen Sequencer gejagt und ein paar ungewöhnliche genetische Veränderungen entdeckt.«
    Der Spion versuchte sich aufzusetzen, doch er war zu schwach – die Schwerkraft auf dem Mond war viel stärker als auf der Rhea –, und der Impuls, die alte Frau zu töten, war rasch wieder verschwunden. Mit pochendem Schädel sank er auf das Bett zurück und fragte sie, was sie nun tun würde.
    »Wenn Sie glauben, dass ich Sie den Leuten, die diesen Laden hier betreiben, preisgeben werde, dann irren Sie sich. Meiner Ansicht nach sitzen wir alle im selben Boot. Sogar die Vertrauensleute. Sogar Vertrauensleute, die auf ungewöhnliche Weise genetisch verändert wurden. Muskelstränge zum Beispiel, die extrem schnell kontrahieren und ungewöhnlich lange Fasern besitzen. Motorische Nerven, die viel schneller reagieren als normal. Netzhautstäbchen, die Infrarotlicht wahrnehmen und fast bis in den ultravioletten Bereich sehen können. Und so weiter und so fort. Ich frage mich, ob derjenige, der Sie mit diesen Genveränderungen ausgestattet hat, aus Ihnen einen Soldaten machen wollte.«
    Er wandte seine Augen von ihrem scharfsinnigen Blick ab.
    »Es gibt Gerüchte, dass die Geister vor dem Krieg die Grenzen der menschlichen Gentechnologie ausgeweitet haben«, sagte sie.

    »Ich hatte eine ungewöhnliche Kindheit, aber ich bin kein Geist.«
    »Sie müssen mir nichts erzählen, wenn Sie nicht wollen. Ich werde nicht herumschnüffeln. Aber alles, was Sie mir sagen können, hilft mir bei Ihrer Behandlung«, sagte die alte Frau und erklärte, dass sie ihn nicht heilen konnte, weil sie keinen Zugang zu der nötigen Behandlung mit Retroviren hatte. Er konnte sich den Brasilianern oder Europäern anvertrauen, die das Gefängnis betrieben, doch wenn sie einer Behandlung zustimmten, würden bei routinemäßigen Genomscans seine Genveränderungen zutage treten, und er wäre enttarnt.
    »Ich kann die Symptome mit Bluttransfusionen und hohen Dosen von Steroiden und anderen Behandlungen lindern. Lichttherapie zum Beispiel kann auch helfen. Aber ich kann nichts gegen die Ursache der Symptome tun, und sie werden mit der Zeit schlimmer und komplizierter werden.«
    »Wenn es keine Heilungschancen gibt …«, sagte der Spion.
    »Sie wollen wissen, ob Sie daran sterben werden. Ich fürchte, ja. Aber nicht sofort.«
    »Wie viel Zeit bleibt mir noch?«
    »Die Wahrheit ist, ich weiß es nicht«, sagte die alte Frau. »Die Gene, die für Ihren Zustand verantwortlich sind, sind an verschiedenen Stellen und variantenreich, und sie können von einer großen Zahl von Umweltfaktoren beeinflusst werden. Einfach gesagt, ist Ihr Zustand das Ergebnis einer komplizierten und nicht vorhersagbaren Interaktion zwischen Ihrer genetischen Beschaffenheit und Ihrer Umgebung. Vielleicht wussten die Leute, die Sie genetisch verändert haben, nichts davon. Oder vielleicht doch, und sie dachten, es wäre eine unwahrscheinliche Nebenwirkung der Veränderungen, die sie vornehmen mussten. Obwohl Ihre Krankheit
eine gewisse Ähnlichkeit mit Lupus hat, ist die Ursache doch eine andere und der Verlauf wird anders sein. Sicher ist nur, dass Sie schon eine Weile darunter leiden und das Erwachen aus dem Kälteschlaf die Symptome verschlimmert hat.«
    »Sind es zehn Jahre?«
    »Sie wollen wissen, ob Sie lange genug leben werden, um Ihre Strafe abzusitzen.«
    »Ich will die Wahrheit wissen.«
    »Es ist unwahrscheinlich. Tut mir leid.«
    Lachen tat weh. Etwas Scharfes und Schweres stach ihm in die Lungen. Die entzündete Haut im Gesicht riss wie hundert Papierschnitte. Tränen traten ihm in die Augen und brannten, als sie ihm über die Wangen liefen – sogar Tränen taten weh. Doch das Lachen löste etwas, das lange in ihm geschlummert hatte. Er spürte, wie es verschwand.
    »Ich dachte, ich würde dafür bestraft, etwas sein zu wollen, was ich nicht war«, sagte er zu der alten Frau. »Aber daran lag es nicht. Es war nicht Gott oder das Schicksal, sondern etwas viel Einfacheres. Es waren die Leute, die mich geschaffen haben – sie haben ihren Job nicht richtig gemacht.«

› 2
    Wenn Macy Minnot die Zwillinge ins Bett brachte, drehte sie das Licht in der Schlafecke zu einem schwachen Leuchten herunter, das an Sternenlicht erinnerte, und erzählte ihnen eine Geschichte von der Erde. Sie hatte festgestellt, dass sie eine gute Geschichtenerzählerin war. Es war eine natürliche Begabung, so einfach, wie

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