Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
hinauf, auf eine gewölbte Steilwand zu, in der sich ein schmaler Schlot befand.
Felice hatte bereits die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als ein Geschoss sein linkes Bein traf und ihn auf den staubigen Boden warf. Er versuchte, wieder hochzukommen, aber sein Oberschenkelknochen war gebrochen, und er fiel sofort wieder hin. Das rettete ihm das Leben: Ein zweites Geschoss zischte an seinem Kopf vorbei und schlug in einem löchrigen Gesteinsbrocken ein. Splitter spritzten in alle Richtungen. Wie ein verkrüppelter Affe kroch er mit Hilfe seines unversehrten Beins in den Schutz des Schlots und begann zu klettern.
Der Schlot führte in einem spitzen Winkel im Innern des Felsens nach oben. Als die Wärterin das untere Ende erreicht hatte und versuchte, auf ihn zu schießen, prallten ihre Geschosse von den Felsbrocken unter ihm ab. Trotz seines gebrochenen Beins hatte er bald einen ziemlichen
Vorsprung erreicht. Der Schlot endete nach einigen Hundert Metern, und er schwang sich über den Rand eines schmalen Sims. Über ihm war der Außenrand des Zeltes zu sehen und eine gewaltige Stützmauer, die das Fundament für eine der riesigen Streben bildete, die das Zeltdach hielten. Die Strebe selbst war parabelförmig gebogen und zu beiden Seiten waren große Scheiben daran befestigt, die im goldenen Sonnenlicht glänzten. Darum herum erstreckte sich eine pockennarbige Ebene, auf der es keinerlei Deckung gab.
Felices linkes Bein war blutüberströmt und um den tiefen Krater herum, den das Geschoss in seinen Oberschenkel gerissen hatte, angeschwollen und schwarz verfärbt. Er verdrängte den Schmerz und stemmte sich hoch, hielt sein Gewicht auf dem rechten Fuß und den Fingerknöcheln. Sein gebrochenes Bein war verdreht, so dass sein linker Fuß seitwärts am Boden lag – ganz wie bei einem verkrüppelten Affen. Leise schwankend wartete er mit der Ruhe und Geduld, die er einst unter der Disziplin von Vater Solomons Schockstab gelernt hatte.
Er sah, wie sich die Schatten an der Mündung des Schlots ein wenig veränderten und warf sich nach vorn, als die Wärterin mit einem anmutigen Satz nach oben gesprungen kam, in einer Hand einen Taser, in der anderen die Pistole. Er prallte gegen sie und umklammerte mit den Armen ihre Oberschenkel, und dann purzelten sie zusammen den steilen Schacht des Schlots hinunter. Er hätte sie beinahe losgelassen, als er mit dem Rücken gegen einen Felsvorsprung prallte. Doch als sie schließlich ins Leere hinabstürzten, gelang es ihm, sich mit den Fingern an ihrem Ausrüstungsgürtel festzukrallen und sich nach oben zu ziehen, so dass sie einander in den wenigen Sekunden ihres Sturzes direkt in die Augen sahen. Die Wärterin hatte ihre Pistole verloren,
versuchte jedoch, Felice den Taser in die Seite zu drücken. Er schlug mit der Handkante gegen den Nervendruckpunkt an ihrem Ellbogen, und ihre betäubte Hand ließ den Taser fallen. Während der unebene Boden auf sie zugerast kam, legte er seinen linken Handschuh auf den Diagnoseeingang ihres Lebenspacks und entlud seine zweite und letzte Batterie.
Durch den Eingang floss genügend Strom, um die Wärterin einen Moment lang zu betäuben. Und dann schlugen sie auf dem Boden auf und rollten voneinander weg, wobei um sie herum Staubwolken aufstiegen. Felice krümmte sich zusammen und ließ sich weiterrollen, die Arme fest um die Knie geschlungen, den Kopf eingezogen. Etwas Hartes, Faustgroßes schlug ihm gegen die Rippen und trieb ihm den Atem aus den Lungen. Kleine Steine hüpften polternd den Abhang hinunter. Die weißen Staubwolken begannen sich bereits wieder zu setzen, als er sich auf die Fingerknöchel und sein unversehrtes Knie aufrichtete. Sein linkes Bein fühlte sich wie ein fernes Land an, das unter Belagerung stand. Sein rechtes Fußgelenk pochte schmerzhaft – irgendwie musste er es sich während des wilden Sturzes verdreht haben. Wenn er Luft holte, stach ihn ein Messer unter die geprellten Rippen. Und jeder Quadratzentimeter seiner Haut unter dem Ganzkörperanzug fühlte sich zerschrammt und geschunden an.
Die Wärterin lag in verdrehter Haltung am unteren Ende des Schlots. Als Felice versuchte, seinen rechten Knöchel zu belasten, gab dieser nach, und Schmerzen schossen sein Bein hoch bis zur Hüfte. Deshalb setzte er sich hin und rutschte auf dem Hosenboden zu der Wärterin hinüber. Eine der Sichtscheiben ihrer Atemmaske hatte einen Riss, und dahinter war vom Druckverlust angeschwollenes und schwarz verfärbtes Fleisch zu
Weitere Kostenlose Bücher