Sonnenlaeufer
Aber wovor?«
»Sie wollen mich wohl nervös machen, damit ich Fehler begehe. Ich frage mich, in wessen Zelten sie schlafen?«
»In denen des Hoheprinzen Roelstra«, murmelte Walvis, während er seine Medikamente aufräumte.
»Dafür haben wir keinen Beweis«, wies Rohan ihn zurecht.
»Nur Augenschein«, fügte Chay hinzu und spielte mit dem Glasmesser in seiner Hand. »Und wir können spekulieren, was sie durch deinen Tod gewinnen würden.«
»Einen Fünfjährigen auf dem Wüsten-Thron. Oh, mit einem sehr fähigen Truppenkommandeur und einer Prinzessin, die herrscht, solange er minderjährig ist, aber immerhin doch ein Kind.« Rohan setzte sich und starrte auf seine Stiefel. »Ich bin mir dessen nie zuvor bewusst gewesen, Chay – dass Maarken und Jahni in Gefahr schweben, nur weil sie meine Erben sind, meine ich. Der Göttin sei Dank, dass sie in Stronghold sicher sind.«
»Mir ist das auch nie in den Sinn gekommen«, gestand Chay. »Aber vom Augenblick seiner Geburt an wird dein eigener Sohn Ziel der Merida sein.«
»Ich weiß.«
»Sioned auch?«
Darauf konnte ihm Rohan keine Antwort geben. Chay reichte Walvis das Messer und ging stumm davon. Der Knappe befühlte die Klinge eine Weile. Sein junges Gesicht war dunkel vor Sorge. Endlich sagte er: »Herr, sie würden doch nicht wirklich versuchen, Euch zu töten, oder?«
»Muss ich dir darauf antworten, Walvis? Aber sieh nicht so böse drein. Es gibt genügend Menschen, die mich bewachen. Und morgen werde ich mich die ganze Zeit inmitten einer Menschenmenge befinden. Da kann mir nichts geschehen.«
»In einer Menge aus Prinzessinnen? Da habe ich am meisten Angst um Euch, Herr!«
Rohan lachte. »Oh, gegen die Prinzessinnen habe ich eine sehr tüchtige Leibwache. Meine Schwester.« Die sich auch um Sioned kümmern würde, sagte er sich. Ihm kam plötzlich die Frage in den Sinn, ob ein Teil von Andrades Motiv, ihm eine Lichtläuferin zu schicken, wohl auch darin bestand, ein Netz zu seinem Schutz um ihn zu wirken – um ihn gegen die Merida zu schützen oder gegen Roelstra oder gegen beide?
Kapitel 13
Es lag schon mehrere Generationen zurück, dass man zwischen dem Lager der Prinzen und dem Rennplatz Bäume gepflanzt hatte, sowohl um den Tieren Ruhe und Frieden zu verschaffen als auch um die Zelte vor Staub und Gestank zu schützen. Weiden und Sattelplätze waren ebenfalls schon vor langer Zeit geplant worden, und die Rennbahn dröhnte unter unzähligen Hufen, Rialla um Rialla . Das Oval der Rennbahn war eine volle Länge rund und breit genug, um zwanzig Pferden zwischen den vielfarbigen Gattern Platz zu bieten. Jedes Drittel war einem Richter unterstellt, der von einem kleinen Holzturm aus aufpasste, dass niemand gegen die Regeln verstieß – aber alles, was außerhalb ihres Gesichtskreises geschah, blieb ungestraft.
Die Tribünen wiesen gen Süden. Die für den Adel reservierten Plätze wurden in diesem Jahr von einem blattgrünen Baldachin geschützt, der Prinz Clutha ein halbes Jahreseinkommen gekostet hatte; er hätte noch mehr gekostet, aber Prinz Lleyn hatte ihm einen Nachlass auf das Material gewährt, denn er hasste es selbst, sich einen Sonnenbrand zuzuziehen, wenn er bei den Rennen zusah. Das gemeine Volk drängte sich am Rande der Bahn, kostete Essen und Trinken an den Ständen, die dort aufgebaut waren – der Tag des Rennens war der einzige Tag des Rialla , an dem es den Händlern erlaubt war, ihre Waren über den Fluss zu bringen. Doch gleich, ob Edler oder Gemeiner, ein jeder schloss seine Wette ab; nur die eingesetzten Summen unterschieden sich.
Rohan hatte die Tage des Rennens immer gemocht. In diesem Jahr war es noch reizvoller, weil er sich nicht auf die Zunge beißen und den Unwissenden spielen musste. Als Sohn seines Vaters erwartete man von ihm, Pferdekenner zu sein, und es bedeutete eine Erleichterung, dass er sein Wissen kundtun konnte, während er eine Zeitlang über den Sattelplatz schlenderte und Chays Konkurrenten abschätzte, ehe er sich zu seinem Schwager gesellte.
Chay war mit der Überprüfung von Akkal fertig und schwang sich in den Sattel. »Ich sehe verdammt noch mal aus wie ein Regenbogen«, beschwerte er sich und zupfte an einem roten Seidenärmel. Eine weiße Hose aus Elchleder und dazu passende Stiefel komplettierten seine eigenen Farben, und zu Ehren seines Prinzen trug er eine blaue Schärpe um die Taille.
»Tobin findet, dass du wundervoll aussiehst, also sprich nicht mehr davon. Achte lieber auf Lord Rezes
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