Sonnenlaeufer
wetten, wie wir anderen?« Ianthes Stimme war glatt wie warmer Honig.
»Ich besitze nichts von Wert«, fing Sioned an und spreizte die Hände, um ihre Armut anzudeuten – dann fiel ihr Blick auf den Smaragd. »Was wettet Ihr gegen diesen Smaragd, Euer Gnaden?«
»Ihr würdet gegen den Prinzen wetten?«
Sie lächelte und fragte sich, ob Rohans Waghalsigkeit sie schon angesteckt hatte. »Ich stelle ihn als Mann in Frage, nicht als Reiter. Ich hatte eine andere Wette im Sinn.«
»Ja?« Die dunklen Augen blickten misstrauisch, und die Lippen waren zu einem falschen Lächeln verzogen.
»Mein Smaragd gegen jedes, das Ihr wünscht, dass weder Ihr noch Eure Schwester ihn gewinnt!«
»Wie könnt Ihr es wagen«, zischte Ianthe.
Sioned lachte. »Euer Gnaden! Ihr wollt mir doch wohl nicht erzählen, dass Ihr an Euch selbst als Frau zweifelt!«
»Ich zweifle an Euren Manieren, Lichtläuferin! Aber ich kann nicht verlieren, denn es ist niemand sonst hier, der Rohan verdient – wie gerade Ihr selbst wissen solltet. Wollt Ihr ihn für Euch selbst?«
»Das habe ich noch nicht entschieden«, log sie leichthin. »Aber wenn Ihr Euer selbst in dieser Angelegenheit nicht sicher seid …«
»Einverstanden!«, höhnte die Prinzessin. »Euer Smaragd gegen alles Silber, das ich trage!«
»Die Wette gilt«, nickte Sioned und beleidigte die Prinzessin noch weiter, indem sie sichtbar eine Bestandsaufnahme ihrer Kette, Ohrringe, Armreifen und des Gürtels durchführte. Ianthe lief vor Zorn rot an und kehrte Sioned den Rücken zu.
Diese starrte auf ihren Smaragd. Sie glaubte keinen Augenblick, dass sie ihn verlieren könnte, begriff aber plötzlich, wie viel er ihr bedeutete. Sie biss sich auf die Lippe und schaute sich schnell nach ihren Kameraden um. Diese machten es Ianthe nach und ignorierten sie. Sioned fasste einen Entschluss, stand auf und bahnte sich ihren Weg zu den Plätzen, wo das Sonnenlicht nicht von dem grünen Seidenbaldachin abgehalten wurde.
Sie fühlte die süße Wärme auf der Haut, die ihre Knochen und ihr Blut durchdrang. Sie verschränkte die Finger miteinander und spürte, wie die Ringe warm wurden – sogar der Smaragd – und sie wurde an den Abend in der Großen Halle in Stronghold erinnert, an Tobins Versprechen, dass diesem Ring sein eigener Zauber innewohne. Sie blickte in die Richtung, die Rohan eingeschlagen hatte, und ihr Blick wanderte auf dem Sonnenlicht dahin, bis sie ihn sah, wie er sich an Pashtas Nacken schmiegte, als sie sich dem Wald näherten. Ihr Atem ging schneller, genau wie seiner; sie zuckte – gemeinsam mit ihm – zusammen, wenn Äste sein Hemd und sein Haar peitschten, als er in den Wald einritt. Der Klippenpfad, der nun vor ihm lag, war mörderisch, und Sioneds Herz fing an, sehr schnell zu schlagen.
Rohan fluchte, als ein scharfer Zweig seine Schulter ritzte. Rund um ihn her erklangen Warn- und Angstschreie, und seine Hände schwitzten in seinen Reithandschuhen. Er dirigierte sein Pferd um einen gestürzten Reiter, dankte der Göttin für Pashtas Jahre in der Wüste, die dem Pferd schnelleren Geist und flinkere Hufe verliehen hatten als den meisten anderen Pferden. Sie ließen den Wald hinter sich und wandten sich dem steilen Hang zu, der in einem grünen Turm in der Nähe des Klippenrandes gipfelte. Hinter sich hörte Rohan einen entsetzten Schrei und dann ein Krachen, das wie knirschende Knochen klang. Aber er hatte keine Zeit zurückzuschauen, denn vor ihm ragte der Turm auf – und das Pferd neben ihm, dessen Reiter Lord Rezes Farben trug, ließ ihm kaum genug Platz, um die Kurve zu nehmen. Pashta legte drohend die Ohren an; das andere Pferd stolperte leicht auf einer schlüpfrigen Stelle, und Rohan nutzte die Gelegenheit und trieb Pashta durch die schmale Öffnung und näher zum Turm. Er umrundete ihn knapp – und hörte einen Augenblick später einen schrecklichen Schrei, gefolgt von einem lauten Platschen in der Brandung weiter unten. Rohan fuhr zusammen; das hätten auch er und Pashta sein können. Sein einziges Ziel bestand jetzt darin, lebend aus diesem wilden Ritt hervorzugehen.
Nur noch zwanzig Reiter waren vom Feld übriggeblieben. Nach Rohans Meinung waren das neunzehn zuviel, und Pashta teilte diese Ansicht. Der Hengst, der niemals einem anderen Pferd den Vortritt ließ, jagte hinter den anderen her. Rohan presste seine Wange an Pashtas Hals. Zweige zerfetzten sein Hemd, und er klammerte sich nur noch fest.
Aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Falbe auf und
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