Sonnenlaeufer
wirklich schnell. Andrades Bann, der auf der Felsenburg und Feruche lag, war unangenehm. Aber die Botschaften, die zwischen Vater und Tochter einhergingen, hätten ohnehin keinem Lichtläufer anvertraut werden können, nicht einmal einem, der wie Crigo von Dranath abhängig war.
Wie üblich verlor Roelstra auch diesmal keine Zeit mit Familiennachrichten. Weder er noch Ianthe machten sich etwas aus ihren Schwestern. Außerdem hatte sie ihre Spione in seinem Haushalt, so wie er Beobachter in ihrem hatte. Es gehörte zu dem zynischen, amüsanten Spiel, das sie miteinander spielten und das hieß: »Ich vertraue dir.« Seine Anrede »Liebste Tochter« gehörte ebenfalls dazu.
Durch die zahlreichen Todesfälle hat uns die Seuche viele ausgezeichnete Möglichkeiten eröffnet. Ich denke dabei für mich an Einar und an Tiglath für dich. Kuteyn von Einars überlebender Sohn ist ein heute gerade zehnjähriger Knabe, und seine Witwe ist ein jammerndes Nichts, unfähig allein schon, über ihre Kammerfrauen zu herrschen, geschweige denn über die Stadt und die Ländereien. Außerdem sind gewisse Dokumente gefunden worden, die andeuten, dass diese Ländereien einst zur Prinzenmark gehörten. Pimantal von Fessenden wird erzürnt darüber sein, denn er hat ebenfalls ein Auge auf dies Gebiet geworfen. Saumer von Isel wird meinen Anspruch unterstützen – was du gewiss gerne hörst –, da wir kürzlich ein geheimes Abkommen getroffen haben, das auch festhält, dass ich über Einar herrsche. Du kannst seine Agenten an deinem Hof dahingehend informieren – und auch in Vologs Hallen, damit er entscheiden kann, ob sein Profit darin liegt, mich oder Fessenden zu unterstützen. Der hat sich nämlich daran gewöhnt, mit Saumer zusammenzuarbeiten, als die Seuche sie dazu zwang. Es könnte so bleiben.
Was nun Tiglath anbelangt, so ist dir natürlich bekannt, dass Eltanin seine blondhaarige, liebe Braut im Kindbett und ihren ersten Sohn durch die Seuche verlor. Der zweite Sohn blüht und gedeiht, aber von Eltanin selbst heißt es, er wäre als Folge dieser Verluste und seiner nur zögernden Genesung nach der Seuche sehr gealtert. Andere sind gleichermaßen geschwächt; davon ein anderes Mal mehr.
Unsere Merida-Verbündeten haben mir berichtet, sie würden einen Angriff auf Tiglath vorbereiten, sobald sich Rohan beim Rialla befindet. DAS DARF NICHT GESCHEHEN . Wir müssen uns an unseren ursprünglichen Plan halten. Ich warne dich, liebste Tochter, ein zügelloses Leben wäre jetzt fatal.
Die Lippen der Prinzessin verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. Diese Anspielung auf ihre zahlreichen Liebhaber war unnötig. Seit Anfang des Winters hatte niemand mehr sie angerührt, und sie hatte auch dafür gesorgt, dass der ganze Haushalt wusste, dass sie allein schlief. Es gab Besucher genug in Feruche, die ihre Keuschheit in den letzten Wochen bezeugen konnten. Menschen, für die bei dem Spiel, das sie und ihr Vater bald spielen würden, nichts auf dem Spiel stand.
Sprich bei nächster Gelegenheit mit deinen Merida. Ihr hitziges Blut darf unsere Pläne in Bezug auf Rohan und diese Lichtläuferhexe nicht ruinieren. Lass deine Merida ausdrücklich wissen, dass sie sich noch nach ihrem dürren Heimatland sehnen werden, wenn sie in den düstersten Verliesen in den tiefsten Tiefen der Felsenburg schmachten, falls sie unseren Plan verderben.
Was nun deine Bemerkungen über die Zukunft deiner Söhne anbelangt, so wird es nicht gut sein, ihnen zu erzählen, was sie haben werden, wenn sie erwachsen sind – jedenfalls wenn sie so sind wie du und ich, was ich vermute. Derzeit kämpfen Rusalka und Kiele um die Vorherrschaft über den jungen Herrn Lyell von Waes, der eine Braut sucht. Ich finde dies ebenso amüsant wie die Tage, als du dich mit deinen Schwestern wegen Rohan gezankt hast. Töchter streiten sich miteinander um die Männer – aber Söhne kämpfen um Schlösser und Macht. Lass uns abwarten, wie sich deine Söhne entwickeln, ehe wir ihnen etwas versprechen.
Auf jeden Fall werden sie mit etwas Glück über die Wüste herrschen, Ianthe, wenn sie erwachsen sind. Sie können warten und sich dann nehmen, was sie wollen.
Sie seufzte resigniert. Sie hatte diese Antwort erwartet und eigentlich nicht damit gerechnet, dass ihre Vorschläge von ihrem Vater günstig aufgenommen werden würden. Es wäre nützlich gewesen, schriftlich zu haben, dass ihren Söhnen Land und Schloss geschenkt werden würde, aber Roelstra hatte in mancherlei Hinsicht
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