Sonnenlaeufer
immer mehr den Ton angibt? Hast du darüber überhaupt schon einmal nachgedacht, du kleine Närrin? Du würdest aus mir einen neuen Roelstra machen!«
»Ich habe auch daran gedacht! Rohan, ich kann dir …«
»Ich wünsche mir nichts, was du mir nicht geben könntest. Und eines Tages werden wir uns einen Sohn schenken. Sioned, ich möchte kein Kind von einer anderen Frau. Ich könnte einen Sohn nicht anschauen, wenn er nicht dich in seinem Gesicht und seinen Augen haben würde.« Er blickte in ihre schönen, zweifelnden grünen Augen. »Aber siehst du denn nicht, dass es nicht so wichtig für mich ist? Du bist genug. Du bist mehr, als ich je zu besitzen erhofft habe. Sioned, du bist mein Leben.«
Und um es ihr zu beweisen, auf die einzige Art, die er kannte, zu beweisen, liebte er sie im weichen Moos, während der Wasserfall in der Nähe rauschte. Sie weinte ein wenig, bitter-süße Tränen der Liebe zu ihm und aus Verzweiflung, weil sie kein Kind bekommen konnte. Anschließend wiegte er sie in seinen Armen, und ihr Haar breitete sich wie ein seidener Vorhang über ihre Körper. Als sie schließlich still lag, ließ er sie los und stützte sich auf einen Ellbogen, um sie anzusehen. Die Jahre, die sie nun schon in der Wüste lebte, hatten ihre blasse Haut zu hellem Gold gewandelt und hatten ihr Haar ein wenig bleicher werden lassen. Blonde Strähnen zeigten sich darin, die ihre strahlenden Augen nur noch mehr betonten. Stolz, die Gewissheit seiner Liebe und das Selbstbewusstsein einer Prinzessin sprachen aus jeder Linie ihres Gesichtes, das jetzt so königlich wirkte, als wäre sie dazu geboren. Sioned war ein reizendes Mädchen gewesen, aber jetzt war sie zur schönsten Frau herangereift, die er je erblickt hatte. Mit einem Finger fuhr er leicht ihre elegant geschwungene Schulter entlang und lächelte zärtlich.
»Übrigens, Frau, wie kommst du darauf, dass ich mit einer anderen überhaupt ein Kind zeugen könnte? Ich habe eine ausgeprägte Vorliebe für langbeinige Rotschöpfe mit grünen Augen.«
»Dummkopf«, schalt sie.
»Ich weiß«, stimmte er zu und freute sich, dass sie wieder zu einem Lächeln bereit war. »Weißt du noch – damals, in diesem ersten Sommer? Ich habe wieder und wieder versucht, ein Mädchen zu finden, mit dem ich ins Bett gehen konnte – hör auf, über mich zu lachen!«, schimpfte er, als sie zu kichern begann. »Du warst so schrecklich zu mir, das weißt du selbst. Würdest du mir diese Schande noch einmal antun?«
»Warum nicht? Du bist einfach zu arrogant geworden, mein guter Prinz.«
»Sioned, wag ja nicht, mich zu kitzeln! Sioned!«
Am Schluss lachten sie, und Rohan war erleichtert, dass ihre düstere Stimmung gewichen war. Er öffnete die Weinflasche, und sie tranken aus den Kelchen aus Firon, lauschten dem Wasserfall und betrachteten die Sterne. Doch ein Teil von ihm sorgte sich weiterhin. Es war nur zweitrangig für einen Sohn, dass er legitim war – und für seine Fähigkeit als Herrscher. Es war gut möglich, dass der eheliche Sohn eines Prinzen sich als Narr erwies, während sein unehelicher Sohn besser geeignet war, die Verantwortung für das Prinzenreich zu tragen. Aber Rohan konnte sich nicht vorstellen, je irgendeine andere als seine Ehefrau zu berühren, und noch viel weniger, einen Bastard-Sohn zu zeugen.
Maarken würde sein Erbe sein, wenn es nötig werden würde. Und falls Chay und Tobin beschließen sollten, dass ihr Erstgeborener mit Radzyn allein glücklicher wäre, dann waren da noch immer die jüngeren Söhne, Sorin und Andry. Auf jeden Fall würde ein Prinz von Zehavas Blut über die Wüste herrschen, wenn Rohan gegangen war.
Erst viel später, als er und Sioned endlich hinaufgegangen waren, wurde ihm bewusst, dass er sich bereits eingestanden hatte, dass er vielleicht niemals eigene Söhne haben würde.
Kapitel 20
Prinzessin Ianthe riss das Siegel ihres Vaters auf und faltete das Pergament auseinander. Sie runzelte die Stirn, als ihr das Datum des Briefes auffiel. Dann dachte sie an die Warnung der lieben, toten Palila bezüglich Falten und gab ihrem Gesicht gleich angenehmere und glatte Züge. Aber ihr Zorn ließ sich nicht so einfach vertreiben; zehn volle Tage hatte dieser Brief benötigt, um von der Felsenburg hierher zu gelangen. Im Schnee des Winters, im Schmelzwasser des Frühjahrs, in der Hitze des Sommers und dem Regen des Herbstes – ganz abgesehen von Erdrutschen, Banditen oder einfach nur Pech –, niemals waren die Kuriere zu ihr
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