Sonnenlaeufer
erklärte er Chay.
Da er sah, dass der Vater nichts zu sagen vermochte, erklärte der Prinz: »Ihr habt unsere Dankbarkeit, und Ihr habt Roelstras Furcht gewonnen. Seht.« Er deutete auf das gegenüberliegende Ufer, wo sich der Feind versammelt hatte, um zu beobachten, wie Lichtläufer-Feuer gierig durch den Wald züngelte. Rotgolden glühten zwei gleißende Flüsse aus Licht über dem kühlen, dunklen Wasser. Es fiel ihm leicht, die Gestalten auszumachen, die er am meisten zu sehen wünschte: Roelstra in dunkelvioletter Robe, mit bloßem Kopf, das schwarze Haar von der Brise der Feuersbrunst zerzaust, und Pandsala, deren Augen dunklen Löchern ähnelten.
»Bogenschütze«, rief er leise, und ein Mädchen eilte herbei. Er reichte ihr den mit Granat besetzten, goldenen Ring. »Für den Hoheprinzen, mit meinen besten Wünschen.«
Sie blickte lachend zu ihm auf, und unter den Wunden und dem Schmutz erkannte er, dass sie die Wache war, die er hier, an diesem Ufer, gescholten hatte. »Ich werde ihm den direkt zu Füßen legen, Hoheit!«
Sie hätte es fast geschafft. Rohan bewunderte ihr Geschick, mit dem sie den Flug des Pfeils mit dem daran befestigten Gewicht berechnete, so dass er die große Entfernung auch überwand. Die blau-weißen Federn fielen zehn Schritt von Roelstra entfernt zu Boden. Pandsala schoss vorwärts. Sie riss den Pfeil aus der Erde und reichte ihrem Vater den Ring.
Rohan hielt den anderen empor. »So, wie ich Prinzessin Sioned als Zeichen meiner Dankbarkeit einen Ring schenkte, ehe sie meine Gemahlin wurde, erweise ich heute meinem geliebten Neffen aus Radzyn meine Anerkennung.« Maarkens Augen wurden groß, bevor er den Kopf neigte und die linke Hand ausstreckte. »Nein«, sagte Rohan laut und deutlich. »Die andere Hand, und den Mittelfinger. Dies ist der erste deiner Faradhi -Ringe.«
Schmutzig und erschöpft wie er war, leuchtete Maarkens Gesicht doch, als er den Blick zu Rohan erhob, und in seinen Augen kämpfte der Stolz des Mannes mit der Aufregung des Knaben. Die Truppen aus Radzyn jubelten ihrem Herrn zu, und Maarken lief plötzlich dunkelrot an.
Rohan lächelte. Als er dann aber die Überlebenden zählte, wusste er, wie viel ihn dieser Sieg gekostet hatte. Mehr als ein Viertel ihrer Streitkraft war dafür geopfert worden, wieder einzunehmen, was ihnen anfangs gehört hatte. Dabei hatten sie Roelstras Streitkräfte zwar um die Hälfte gemindert, aber sie waren im Wesentlichen wieder da, wo sie angefangen hatten. Chay hatte von zwei Schlachten gesprochen, und die erste war vorüber.
Ein plötzlicher Instinkt ließ ihn erstarren, als ein sonderbares, vertrautes Gefühl durch seine Brust fuhr. Er blickte auf, und der Atem stockte ihm. Am Himmel zogen Drachen vorüber, mehr als einhundert an der Zahl. Die Altdrachen und Drachenweibchen, die Feylin so sorgfältig gezählt hatte, hatten Junge gezeugt, und kein einziges war von einem Jäger getötet worden. Sie waren kaum größer als kleine Kinder und schlugen dennoch kraftvoll mit den Schwingen, sie hielten auf dieser Reise von den Höhlen um Skybowl und Feruche zu den kühlen Höhen der Catha-Berge im Süden bereits Schritt mit ihren achtsamen Eltern.
Rohan fühlte, wie sich seine Kehle zusammenzog, und seine Augen brannten. Seine Drachen, mehr als er je zuvor in seinem Leben gesehen hatte, frei und stolz und lebendig. Seine Drachen!
Als sie von der Wüste über den Faolain flogen, setzte der Gesang erneut ein. Aber es war nicht sein Name, der am Flussufer erklang und immer lauter wurde, der den Drachen über Roelstras Lager folgte, wo Hunderte von Schwingen ihren Schatten auf die violetten Zelte warfen. Jemand, der die alte Sprache kannte, hatte Rohan einen neuen Namen gegeben, hatte ihm das eine, mächtige Wort gegeben, das seines sein würde, bis ans Ende seines Lebens.
Kapitel 28
Pandsala stand auf einem Hügel und starrte mürrisch auf die Sturmwolken im Norden. Gegenwärtig bedeuteten sie nur eine ferne Drohung, sowohl für die Truppen im Lager als auch für die Lichtläufer, aber schon bald würden sie die Weiten von Meadowlord in ihren Schatten tauchen und dann durchtränken, ehe sie nach Syr weiterzogen. Pandsala fürchtete den bevorstehenden Schauer und hieß ihn gleichzeitig willkommen, diesen ersten Regen des Herbstes. Sechs Winter in der Schule der Göttin hatten sie gelehrt, bedeckte Himmel zu verabscheuen, aber hier, wo sie vergleichsweise frei war, würden die Stürme die Armeen festhalten und würden auch alle
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