Sonnenlaeufer
nur so lange überzeugt gewesen, wie er brauchte, um von Stronghold hierher zu reiten. Aber seither hatte er Pläne geschmiedet. Er wollte diesen Krieg so schnell, wie er konnte, zu Ende bringen und dann Feruche ausradieren. Ianthe würde sterben, und das Kind mit ihr.
Aber konnte er wirklich seinen ungeborenen Sohn töten?
Rohan versank in düsteres Schweigen und bemerkte gar nicht, dass Davvi und Tilal ihn allein gelassen hatten.
Andrade, eingesperrt mit einem schlauen kleinen Mädchen, einem scharfzüngigen Lichtläufer und einem Haufen dummer Diener, zählte die düsteren Tage des Herbstes sogar noch ungeduldiger als die des Sommers. Der Gott des Sturmes hatte gut lachen und amüsierte sich damit, endlose Regenschauer und Wolken zu senden, die jegliche Faradhi -Kommunikation unmöglich machten.
Aber wenigstens eines hatte sie noch erledigt, ehe die Stürme einsetzten, tröstete sie sich eines grauen Nachmittags in Lady Wislas Salon. Davvi war in jeder Beziehung Prinz von Syr, nur noch nicht offiziell ernannt. Dass Roelstra Hoch-Kirat und damit auch Prinzessin Gemma beherrschte und dass die anderen Prinzen Davvi noch nicht bestätigt hatten, entlockte ihr nur ein Achselzucken. Sie konnte jederzeit eine Versammlung der Prinzen einberufen, wenn es ihr so gefiel. Ihre Vorgängerin hatte das getan, um das Linser Abkommen zu ratifizieren, durch das die Wüste in den Besitz von Zehavas Familie übergegangen war, »solange der Sand Feuer speit«. Sie spielte mit dem Gedanken, jetzt ein ähnliches Treffen in River Run einzuberufen, entschied dann aber, dass der Spaß, den es ihr machen würde, die Prinzen wegen einer Laune von ihr durchnässt und erzürnt eintreffen zu sehen, das Risiko, Roelstras Armeen an den Toren zu haben, nicht wert war.
Sie stand am Kamin, rieb ihre Hände aneinander und runzelte die Stirn. Eine kleine Tat, die Anerkennung von Davvi als Prinz von Syr, wog nicht so schwer wie diese unendlichen Tage des Nichtstuns. Langeweile war das Schlimmste. Das – und ihre bittere Aversion Chiana gegenüber. Das Mädchen war in diesem Sommer gewachsen, so schnell und plötzlich, wie Kinder es manchmal tun. Mit knapp sechs Jahren sah sie jetzt aus – und benahm sich auch eher so – wie ein Kind von zehn. Wann immer sie sie erblickte, musste Andrade an ihre Schwester denken und daran, dass Pandsala Roelstra diente, mit all der Verschlagenheit ihres Blutes und den Fertigkeiten ihrer drei Faradhi -Ringe.
Als hätten ihre Gedanken sie herbeigerufen, kam Chiana ins Zimmer getänzelt, strahlend und blühend. Sie machte einen ironischen Knicks vor Andrade und trällerte: »Mein Vater kommt mich holen! Seht nur über die Mauern, und Ihr werdet Hunderte von Soldaten sehen, alle gekommen, um mich zu retten!«
Andrade presste die Lippen zusammen und verließ den Raum. Sie trat in die Halle, von der aus große Fenster auf den Hof gingen. Urival war unten, und als er den Kopf hob, weil er ihre Gegenwart spürte, sah sie in seinem Gesicht die Wahrheit. Chiana neben ihr kicherte und drehte sich im Kreise, und Andrade hatte Mühe, sie nicht zu ohrfeigen.
»Wie viele sind es?«, rief das Kind eifrig. »Zweihundert? Dreihundert?«
»Schweig!«, zischte Andrade und ging in die Halle hinab, um Urival zu treffen. Noch immer lachend hüpfte Chiana hinter ihr her.
Das Gesicht des Mannes war verbittert, als er berichtete: »Sechzig Mann aus der Truppe des Hoheprinzen scheinen die Absicht zu hegen, da draußen im Schlamm ein Lager aufzuschlagen.«
»Ein wenig spät, nicht wahr? Warum hat er das nicht im Sommer versucht?«
»Du kennst ihn besser als ich«, fuhr Urival sie an.
»Ich kenne ihn besser, als ich es will. Sechzig, hast du gesagt?«
»Sie werden angreifen und Euch töten, und ich werde frei sein!«, krähte Chiana. »Ich muss nie wieder in diese entsetzliche Schule zurück!«
»Still!«
»Ihr habt verloren! Ihr seid nichts, und ich bin eine Prinzessin!«
Mit Augen wie Donner machte Urival einen Schritt auf sie zu, aber Andrade stand näher und war schneller. Grob packte sie den Arm des Kindes. »Jetzt hör mir mal gut zu! Ich habe geholfen, dich zur Welt zu bringen, und war dabei, als dein hochverehrter Vater fast deinen Tod befohlen hat! Du willst zu ihm gehen, Chiana? Was der braucht, ist gerade noch eine Tochter! Möchtest du gern mit den anderen in der Felsenburg eingesperrt sein?«
»Ianthe ist frei – und sie hat ihr eigenes Schloss! Und Pandsala …«
»… hat dich benutzt«, erzählte Andrade ihr.
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