Sonnenlaeufer
während er Maarken beobachtete. Der Knabe saß auf einem Klappstuhl, in das bleiche Wintersonnenlicht um ihn her verwoben. Seine Augen waren geschlossen, die Stirn in konzentrierte Falten gelegt. Chay stand in der Nähe. Er hatte seinem Sohn den Rücken zugewandt, während der mit einem anderen Faradhi kommunizierte. Rohan brachte nur wenig Geduld auf, wenn Chay sich angesichts der Fähigkeiten seines Sohnes so unwohl fühlte, aber er konnte ihn verstehen. Was Tobin vor sechs Jahren zugestoßen war, hatte jedoch nur geschehen können, weil sie keine Ausbildung erhalten hatte. Maarken jedoch würde ein tüchtiger Faradhi werden – genau wie Andry. Es wäre besser, wenn Chay sich allmählich an diese Vorstellung gewöhnte.
Sechs Jahre war es her, überlegte er, dass er zugesehen hatte, wie Lichtläufer den Wind angerufen hatten, um die Asche seines Vaters und des Drachen über der Wüste zu zerstreuen. Hätte Zehava es gutgeheißen, was er jetzt tat? Wahrscheinlich. Zehava hatte sich niemals Illusionen über die Welt oder die Menschen gemacht, die darin lebten. Im Gegensatz zu seinem Sohn, der erst jetzt erkannte, dass all seine hübschen Pläne und Einsichten nutzlos waren. Und doch wandten sich seine Gedanken wieder in diese Richtung, als er Maarken zusah. Die kommenden Generationen sollten nicht dieselben Schlachten durchzustehen haben wie ihre Väter. Es sollte mehr für die Kinder getan werden, sagte er sich, etwas Besseres für Maarken, Sorin und Andry – und für seinen eigenen Sohn.
Bei diesem Gedanken wäre er beinahe zusammengezuckt. Er wandte sich Tilal und Davvi zu, die sich näherten und seinen Namen riefen. Er hob eine Hand und ging auf sie zu.
»Herr – wunderbare Neuigkeiten! Die Schiffe sind eingetroffen.«
Davvi brachte seinen Sohn mit einem Blick zum Schweigen. »Sie sind so weit, wie sie konnten, den Faolain heraufgesegelt und laden jetzt Truppen und Vorräte aus. Sie haben einen Reiter vorausgesandt, der Euch informieren sollte, Herr.«
Chay drehte sich um. Ein breites Lächeln lag auf seinem Gesicht. »Keine Schiffe – Brücken!«
»Hä?« Rohan starrte ihn an.
»Denk darüber nach«, riet Chay. Eine Hand auf Tilals Schulter fuhr er fort: »Bring mich dorthin. Wir müssen Pläne schmieden.«
Davvi wandte sich an Rohan und suchte dort eine Erklärung. Der Prinz versuchte hastig, Chays Bemerkung zu verstehen. Brücken? Roelstra hatte seine Truppen wieder über den Fluss zurückgezogen und ahmte ganz offensichtlich Rohans Taktik von diesem Sommer nach. Gegenwärtig lagerte er auf einer großen Ebene, die hervorragend für einen Kampf geeignet war. Rohan wäre der Versuchung vielleicht erlegen, wären da nicht zwei Dinge gewesen: Maarken hatte die beiden Brücken brauchbar hinterlassen – nach nur einigen wenigen Reparaturen –, und Roelstra erwartete sicher, dass die Wüstenarmee den Fluss an genau diesen Stellen überqueren würde. Wenn Rohan von Zehava und Chay auch sonst nicht viel über den Krieg gelernt hatte, so wusste er doch, dass der sicherste Weg zur Niederlage der war, sich so zu verhalten, wie der Feind es erwartete. Deshalb hatte er Roelstras Einladung abgelehnt, den Faolain zu überqueren und niedergemetzelt zu werden.
Aber nun waren Lleyns Schiffe eingetroffen, und Chay schien Verwendung dafür zu haben. In Davvis Gesicht sah er denselben Schluss auftauchen und zuckte mit den Schultern. »Ich bezweifle stark, dass die Herren dieser Schiffe sich gern zu Kapitänen von Fährschiffen erniedrigen lassen.«
Davvi schnaubte. »Dafür überleben sie.«
Rohan lächelte und setzte zu einer neuen Bemerkung an, als er hinter sich hörte, dass etwas in den Schlamm fiel. Als er sich hastig umwandte, sah er Maarken, der sich mit benommener Miene und glasigen Augen vom Boden hochstemmte. Rohan und Davvi halfen dem jungen Mann auf die Füße.
»Was ist passiert?«, stammelte Maarken.
»Du bist hingefallen. Hier, setz dich und trink das.« Rohan hielt ihm einen Weinkelch an die Lippen.
Maarken nippte daran, hustete und schüttelte den Kopf, damit er wieder Klarheit gewann. »O Göttin«, hauchte er. »Ich kann es kaum abwarten, bis ich ein richtiger Lichtläufer bin …«
»Du machst es doch prima«, versicherte ihm Davvi.
»Ich kann überhaupt nichts kontrollieren«, jammerte der Knappe. »Es geschieht mir einfach, und ich habe dabei kein Wort zu sagen. Es ist – als wenn man ein Feld wäre, und irgendjemand marschiert darüber.« Er verzog sein Gesicht und bürstete ohne
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