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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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weinen, unkontrolliert, und die Laute waren so unterdrückt, dass ein Wimmern daraus wurde. Ich saß auf einem Stuhl bei der Frau im Puppenhaus und hatte mich nicht in der Gewalt. Die Frau reichte mir eine Serviette, damit ich mir die Nase putzen konnte, und legte ihre Hand auf meine Schulter. Sie sagte: Ganz ruhig, wie zu einem Kind, und versuchte, mich zu beruhigen. Es war ihr nicht anzusehen, dass ein solches Benehmen einer unbekannten Frau mit einem Anliegen sie aus der Ruhe brachte, sondern sie wartete darauf, dass es vorübergehen würde, und reichte mir noch eine Serviette. Als ich endlich aufhörte, sah sie michtrockenen Auges an und sagte ruhig, ohne den Tonfall zu ändern: Gewiss ist das traurig.

    Soll sie mit mir sterben, die Geschichte von Dór und der Besuch bei Dóra Tigrid im Puppenhaus mit dem Lavagarten und die Geschichte von mir und Nellí in der Grettisgata? Ist das nicht
traurig
? Das muss doch traurig sein?

    Dór erzählt sie niemandem, den ich kenne, und zuallerletzt dem grauhaarigen Liebsten, zu dem die Geschichte gelangen sollte, mit dem neuen Ende und einem Abschiedsbrief in einer hellblauen Schachtel. Dór weiß nicht, wer der Liebste ist.

    Nicht zuletzt deswegen endet das Leben, damit ein Schmerz in den Tod übergeht und einem nahen Angehörigen neue Nachrichten von Schmerz erspart bleiben. Damit wird viel doppelter Arbeit ein Ende gesetzt.

    Diese Geschichte und das große Weinen auf dem Stuhl, auf den ich mich setzte, bevor mir ein Platz angeboten wurde, hätte dir Kummer bereitet, weil du mir zugetan bist. Niemand so sehr wie du.

    Du, der du mir bestimmt geholfen hättest, aus den Plankenflößen, auf denen ich über Kanäle mit wenig Wasser schipperte, einen ganzen Prahm zu zimmern – du erfährst bis in alle Ewigkeit nichts von diesem meinem lebenslangen Kampf, dem Versuch, mich vom Land abzustoßen, das Floß über Wasser zu halten und mich, wenn eine endgültig abgesoffen war, nachdem sie mehr unter als über Wasser mit mir herumgedümpelt war, an eine neue Planke zu krallen; ich steuerte zwar das Floß, hatte aber von Navigation im Grunde genommen keine Ahnung.

    Und ich erfahre nichts über Signora Lúkasson und dein ausländisches Leben mit Pesto und Fresken, ich werde nie etwas über eure italienische Liebe zu hören bekommen. Nicht dass mein Herz das wissen möchte, aber der Kopf ist über Neugier nicht erhaben.

    Ich war das Schattenkind, das endlich ans Licht kommen sollte, indem ich die Geschichte dem langgeliebten, grauhaarigen Mann erzählte. Das Kind ans Tageslicht zu ziehen, mitsamt diesen Zimmertagen und dem Ganzen, mit dem neuen Ende von gestern Abend. Daraus wird nichts. Ich komme nie ans Licht. Und ich werde mir keinen Grabspruch aussuchen können.

    HIER RUHT KEIN SONNENSCHEINPFERD

    Nein, die werden sicher noch irgendetwas ausbrüten, Ragnhild und Mummi, etwas verdammt Unpassendes.

    RUHE IN FRIEDEN vielleicht

    Wenn es doch nur um etwas so Einfaches und Friedliches wie Ruhe und Frieden ginge.

    Urteil gefällt, unwiderruflich. Das Urteil in einer Angelegenheit, in der nichts passiert war. Nicht einmal ein Todesurteil. Ein Lebensurteil.

    Das Leben wäre dann aus dem zusammengesetzt, was nie geschah.

    (Nicht einmal Vergessen ist möglich, wenn etwas nie geschah.)

    Ein Leben aus nichts. Oder weniger als nichts.

    Gut, dass sie das nicht vorher gewusst hat. Damit hätte man allerdings nicht leben können.

    Aus nichts ins Nichts verschwinden. Während der letzte Schmerz auf sich warten ließ.

    Nicht aus Staub, um wieder Staub zu werden, sondern aus nichts, um nichts zu werden.

    Aus nichts bist du, zu nichts wirst du wieder werden.

    Keine Vorbereitung auf die letzte Stunde.

    Kein Spielraum, um eine Sonnenfinsternis zu beobachten.

    (Wer weiß, dass er sterben muss, und doch hofft, die nächste Sonnenfinsternis zu erleben, sollte sich zu diesem Ereignis eine Reise an den besten Beobachtungspunkt buchen. Denn eine Sonnenfinsternis kommt zweifelsohne dem Tod am nächsten. Da schweigt jede Kreatur, Kuh wie Vogel, und eine gewaltige Kälteklappe stürzt auf das Land herunter und auf alles, was im Land ist.

    Und genau das zeichnet den Tod aus, Kälte und Schweigen.)

    Keine Vorbereitung. Kein Abschied möglich

    vom grauhaarigen Liebsten in Steinwurfweite.

    Von Unnur und Ása. Sie werden damit zurechtkommen müssen. Töchter ohne Abschied.

    Ihretwegen hätte dieses Urteil nicht fallen dürfen. Und Mummis wegen auch nicht. Nicht so. Nicht jetzt.

    (Ragnhilds

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