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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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dass sie die beste Mama auf der Welt gewesen war und eine großartige Krankenschwester. Und kleine Tränen würden auf das Bild von «Oma» fallen, die es nicht gab, die es aber gegeben hatte. Das wäre ziemlich ermüdend für mütterlicherseits großmutterlose Enkelkinder, aber sie würden nach Kinderart höflich dem erwachsenen Gesülze lauschen.
    Es war auch fast eine Schande, so zu sterben. Nicht, wie es hätte sein sollen. Der Tod zur Unzeit, fleischgewordene Hässlichkeit. Unfall. Blut und gebrochene Knochen. Sie würde keine passable Leiche mittleren Alters abgeben oder eine redlich ausgezehrte Krebsleiche, sondern eine lädierte Leiche. Ihr Gesicht war verschont geblieben, dem Himmel sei Dank, aber die Hände keineswegs. Bei der Aufbahrung würde man die nicht vorzeigen können, sie müssten unter der Decke versteckt werden.
    Unnur und Ása würden sich mit dem Gedanken herumquälen, ob sie Schmerzen gehabt hatte, ob sie gewusst hatte, dass es so weit war, ob sie grauenvolle Schmerzen gehabt hatte.
    ***
    Schmerzen spürte sie immer noch nicht. Sie war erstaunt darüber. Selbst die Zeugin und Projektleiterin von fünfhundert Todesstunden konnte nicht wissen, wie der Schlag ausfallen,wozu er führen oder wo er enden würde. Selbst wenn es ihr durchaus schon einmal durch den Sinn gegangen war, dass der Tod sie mit einem Schlag zur Strecke bringen könnte und nicht mit Tumoren und Wucherungen füllen würde, hatte sie sich auf diesen Schlag doch nicht vorbereiten können.

    Vielleicht bliebe ihr der letzte Schmerz ja erspart. Vielleicht blieb sie verschont. Vielleicht hatte sie Glück, und die Verbindung zum Gehirn wurde unterbrochen, bevor das Signal von einem derartig stechenden Schmerz eintraf, dass es danach keinen Schmerz mehr gab. Das Gehirn, das versucht hatte, bis ins kleinste Detail auszuspekulieren, wie die Todesstunde anderer am richtigsten und untadeligsten zu arrangieren sei.

    So viel stand fest, die Gnade von Schmerzmitteln war ihr nicht vergönnt. Die Gnade, die sie fünfhundert Sterbenden gewährt hatte. Das tat besonders weh.
    ***
    Sie war gerade erst zwanzig gewesen, als sie begonnen hatte, Menschen sterben zu sehen. Zeugin von fünfhundert Todesstunden.
    ***
    All diese Todesagonien hätten ihr als Information dienen können, für ihre eigene Todesstunde, aber so wirkten sie nicht.

    Sie war eine Anfängerin, wie alle anderen. Alles am Tod war unerwartet für sie, der Zeitpunkt und seine Art und was im Körper vor sich ging.
    ***
    Kein Hauptereignis im Leben verläuft so, wie man es sich vorgestellt hat. Ein Kind zu gebären, den Vater sterben zu sehen, selber zu sterben.
    ***
    Sie tröstete sich mit etwas, von dem sie selbst wusste, dass es nicht stimmte, aber sie hielt daran fest, während das Leben aus ihr strömte. (Woher kam dieses Blut, sie wusste es nicht, und selbst wenn, die Hände wären nicht imstande gewesen, die Blutung zu stoppen.)

    Sie stellte sich vor, dass sie nun aus dem Land der Lebenden ins Land der Toten überführt würde. Dass sie weiterexistieren dürfe, in der Nähe von jüngst oder schon vor längerer Zeit Gestorbenen, denen sie ohne Einschränkung warmherzig und bedingungslos beigestanden hatte, bis zum bitteren Ende. Vielleicht sogar in der Nähe von Harald, in gewissem Sinne.
    ***
    HUNDERT UND MEHR GEDANKEN, für und wider, als es so weit war.

    Wer tot ist, braucht nicht einzukaufen.
    Er braucht nicht mehr zu kochen,
    und was noch besser ist, er hört keine Nachrichten.

    Er bleibt verschont von Nachrichten über Vergewaltigungen und Flugzeugabstürze, ebenso von Nachrichten über die neuesten Schnapsideen der Regierung und wie sie präsentiert und gerechtfertigt werden.

    Beleidigung menschlichen Denkens.

    Vor allem aber ist er die Schreckensnachrichten über Kinder los, über einzelne Kinder und generell über Kinder auf den Müllplätzen der Welt. Die Verantwortung tragen die großen Gewissenlosen. Ein Privileg, dass man vor dergleichen Schrecknissen wegsterben darf.
    ***
    Vermissen würde man hingegen die liebgewordenen Wetternachrichten. Angenehmer als jeder Gottesdienst, geradezu trostreich.

    Dabei zu sterben wäre eine Option gewesen.

    Viel besser als Musik, und sei es Bach.

    Keine Musik, kein Ommm oder Rauschen in Regenwald, Bambus oder Birke könnte die Windstärken bei Islands Wetterstationen im Westen, Norden, Osten oder Süden übertreffen: Gjögur Südost sieben, Dalatangi, Nautabú.

    Am besten wäre es allerdings, in ein beschauliches Wort wie

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