Sonnensturm
in die
Astronautik will? Ich hoffte, Sie würden einmal ein
Wörtchen mit ihr reden.«
»Um sie zu ermutigen?«
»Um es ihr auszureden! Ich mache mir jetzt schon genug
Sorgen um sie, auch ohne dass sie da oben ist.«
Bud berührte mit seiner großen narbigen Hand ihren
Arm. »Ich glaube, was auch immer wir sagen, sie wird das
tun, was sie will. Aber ich werde sie trotzdem im Auge
behalten.«
Michail beugte sich am Stock vor. »Aber sagen Sie ihr,
dass sie regelmäßig Sport treiben soll – sie
soll mich als warnendes Beispiel nehmen.«
Siobhan warnte Bisesa mit einem Blick zur Vorsicht. Bisesa
verstand: Michail wusste offensichtlich nicht, dass Bud Krebs
hatte; das bittere letzte Vermächtnis des Sonnensturms.
Bisesa sagte sich, dass das ein grausames Schicksal für
Siobhan und Bud war, denen so wenig Zeit füreinander blieb
– auch wenn sie vermutete, dass die Versöhnung nach
der bedauerlichen Trennung wegen der Widrigkeiten des Sturms der
Krankheit zu verdanken war.
Myra näherte sich wieder leichtfüßig; sie
hatte Eugene nun schon im Schlepptau und hielt Händchen mit
ihm. »Mama, weißt du was – Eugene arbeitet
wirklich daran, das Wetter zu kontrollieren…!«
Bisesa wusste sogar ein wenig über das Projekt. Es war
das letzte in einem ganzen Spektrum von Wiederaufbau-Initiativen
seit dem Sonnensturm – und nicht einmal das ehrgeizigste.
Aber es war eine Zeit, wo Ehrgeiz genau das war, was die
Menschheit am meisten brauchte.
Neunzig Prozent der menschlichen Bevölkerung hatten den
Sonnensturm lebendig überstanden. Neunzig Prozent: Das bedeutete, dass eine Milliarde – eine Milliarde
Menschen! – gestorben war. Aber es hätte
natürlich noch viel schlimmer kommen können.
Dennoch war dem Planeten Erde ein verheerender Schlag versetzt
worden. Die Meere waren geleert und die Werke der Menschen nur
noch verbrannte Ruinen. Nahrungsketten waren zu Land und im
Wasser durchtrennt worden, und während durch fieberhafte
Anstrengungen erreicht worden war, dass relativ wenige Arten
ausgestorben waren, war die numerische Anzahl von Lebewesen auf
dem Planeten eingebrochen.
Vorrangige Priorität hatte in den ersten Tagen nach dem
Sturm der Schutz und die Ernährung der Menschen gehabt. Die
Behörden waren halbwegs vorbereitet gewesen, und heroische
Anstrengungen zur Aufrechterhaltung der Wasserversorgung und der
sanitären Einrichtungen hatten den Ausbruch von Seuchen
weitgehend verhindert. Aber die angelegten Lebensmitteldepots
waren schnell geleert worden.
Die Monate nach dem Sturm, in denen versucht wurde, die ersten
Ernten zu sichern, waren eine schlimme und kräftezehrende
Zeit gewesen. Radioaktive Rückstände im Boden und das
Eindringen in die Nahrungskette hatten das Überleben
erschwert. Und wegen der ungeheuren Energie, die in die
natürlichen Systeme des Planeten geströmt war und die
Atmosphäre und Meere wie Wasser in einer Badewanne
aufgewühlt hatte, war das Klima während dieses ersten
Jahres auch entsprechend katastrophal gewesen. Weil die über
die Ufer tretende Themse die Flussauen überflutete, waren
die Bewohner des ruinierten London vorübergehend evakuiert
und in Zeltstädten untergebracht worden, die man im Umland
errichtet hatte.
Weil der Sonnensturm im Frühling der Nordhalbkugel
aufgetreten war, waren die nördlichen Kontinente am
stärksten in Mitleidenschaft gezogen worden. Nordamerika,
Europa und Asien hatten fast alle landwirtschaftlichen
Anbaugebiete verloren. Die Kontinente des Südens, die in der
darauf folgenden seltsamen Jahreszeit sich schneller erholten,
hatten den Wiederaufbau angeführt. Insbesondere Afrika hatte
sich in den Brotkorb der Welt verwandelt – und diejenigen
mit einem Sinn für Geschichte fanden es richtig, dass der
afrikanische Kontinent, die Wiege der Menschheit, in dieser Zeit
der Not nun den jüngeren Regionen der Welt zur Seite
stand.
Als Hungersnöte ausbrachen, hatte die Situation sich
zugespitzt – doch die düsteren Prophezeiungen vor dem
Sturm, von wegen Krieg um Lebensraum oder auch nur zum Begleichen
alter Rechnungen, hatten sich nicht bewahrheitet. Vielmehr hatte
die Welt großzügig geteilt. Manche Betonköpfe
hatten freilich schon über langfristige Verschiebungen der
geopolitischen Machtverhältnisse nachgedacht.
Als die Krise des ersten Jahres überstanden war, wurden
ehrgeizigere Wiederaufbauprogramme ins Leben gerufen. Es wurden
aktive Maßnahmen ergriffen, um
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