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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Plastikbechern beladen war, bahnte sich einen Weg durch die
apathische Menge.
    Myra nahm einen Schluck und verzog das Gesicht.
»Hühnersuppe. Auch noch aus Pulver.
Bäh.«
    Bisesa trank etwas Suppe. »Es ist ein Wunder, dass sie
das überhaupt so schnell organisiert haben. Aber es stimmt
– bäh.«
    Sie drehte sich zur geschundenen Stadt um. Sie hatte
eigentlich gar keinen Bezug zu Städten, und sie hatte das
Leben in London auch nie sonderlich gemocht. Sie war nämlich
auf dieser Farm von Cheshire aufgewachsen. Die militärische
Ausbildung hatte sie in die Ödnis Afghanistans geführt
– und dann hatte ihr Ausflug nach Mir sie auf eine
völlig leere Welt verschlagen. Die Wohnung in Chelsea war
ein Vermächtnis einer freundlichen Tante: zu wertvoll, um
sie auszuschlagen und eine komfortable Unterkunft für sich
und Myra; sie hatte aber immer vorgehabt, sie eines Tages zu
verkaufen.
    Seit der Rückkehr nach Hause hatte sie London aber kaum
noch verlassen. Nach der Leere von Mir hatte sie Menschen um sich
herum gebraucht, die sich zu Millionen in Büros und
Wohnungen aufhielten, in den Parks und auf den Straßen
tummelten und in den U-Bahn-Tunnels drängten. Und als dann
die Bedrohung durch den Sonnensturm aufgekommen war, hatte sie
sich London noch verbundener gefühlt, weil die Stadt und die
menschliche Zivilisation, für die sie stand, in Gefahr
waren.
    Doch dies war ein tief verwurzelter Ort, wo die Knochen der
Toten sich über hundert Generationen tief in der Erde
stapelten. Vor dieser Perspektive verblasste sogar der Zorn des
Sonnensturms. London würde wieder auferstehen, wie schon so
oft zuvor. Und wenn Archäologen in ferner Zukunft
Ausgrabungen machten, würden sie zwischen Jahrhunderte
dicken Schichten der Geschichte ein Band aus Asche und Treibgut
finden; wie die Aschebänder, die von der Boudicca und
dem Großen Feuer und dem Blitzkrieg stammten –
beredte Zeichen dafür, dass es trotz aller Versuche nicht
gelungen war, London zu zerstören.
    Sie wurde von einem schwachen blauen Glühen in der Luft
über der Kuppel abgelenkt. Es war so schwach, dass man es
durch den ganzen Rauch kaum wahrzunehmen vermochte, und sie war
nicht einmal sicher, ob es überhaupt real war. »Siehst
du das?«, sagte sie zu Myra. »Da – da ist es
schon wieder. Dieser blaue Schein. Siehst du ihn?«
    Myra schaute auf und schielte. »Ich glaube
schon.«
    »Was meinst du, was es ist?«
    »Wahrscheinlich ein Cerenkovglühen«, sagte
Myra.
    Nach der jahrelangen öffentlichen Information über
den Sonnensturm war jeder ein Experte auf diesem Gebiet.
Cerenkovstrahlung trat zum Beispiel um Kernreaktoren auf. Das
sichtbare Licht war eine sekundäre Wirkung, eine Art
optische Schockwelle – sie bestand aus geladenen Teilchen,
die sich schneller als die örtliche Geschwindigkeit des
Lichts einen Weg durch ein Medium wie Luft bahnten.
    Im planmäßigen physikalischen Ablauf des
Sonnensturms war das aber nicht vorgesehen –
zumindest nicht jetzt.
    »Was das wohl zu bedeuten hat?«, fragte
Bisesa.
    Myra zuckte die Achseln. »Mit der Sonne scheint etwas
vorzugehen. Aber wir können eh nichts tun, stimmt’s?
Ich glaube, ich habe auch so schon genug Sorgen, Mama.«
    Bisesa nahm die Hand ihrer Tochter. Myra hatte Recht. Es gab
nichts, was sie hätten tun können – außer
unter dem unnatürlichen Himmel, in der blaustichigen Luft zu
warten und der Dinge zu harren, die da kommen würden.
    Myra trank den Becher aus. »Ob es wohl noch Suppe
gibt?«



 
{ 49 }
PAZIFIK
     
     
    Die Plattform im Meer, etwa zweihundert Kilometer westlich von
Perth, war unscheinbar. Für Bisesa, die vom Helikopter auf
sie hinabschaute, sah sie aus wie eine Bohrinsel, und eine kleine
noch dazu.
    Man vermochte kaum zu glauben, dass – wenn heute alles
gut ging –, dieser Ort der erste richtige Raumflughafen der
Erde werden würde.
    Der Helikopter landete etwas unsanft, und Bisesa und Myra
stiegen aus. Bisesa schreckte zurück, als die volle Wucht
der pazifischen Sonne sie trotz des breitkrempigen Huts traf, den
sie unterm Kinn festgebunden hatte. Fünf Jahre nach dem
Sonnensturm – und obwohl Flugzeuggeschwader Tag und Nacht
mit elektrisch geladenen Gittern den Himmel durchzogen und
Chemikalien ausbrachten, war die Ozonschicht noch immer nicht
wieder völlig hergestellt.
    Myra schien das aber nichts auszumachen. Sie war nun achtzehn
Jahre alt und genauso mit Sonnenschutzmittel imprägniert wie

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