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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Körperhaltung wieder zu erkennen. Obwohl die Population des
Mondes über die ganze Mondkugel verteilt war, war er nach
menschlichen Maßstäben ein Dorf, wo jeder jeden
kannte.
    Thales bestätigte seine Vermutung flüsternd.
»Das ist Dr. Eugene Mangels, der bekannte
Neutrino-Jäger. Wie aufregend.«
    Das verfluchte Computerhirn erlaubt sich einen Scherz mit mir,
sagte Michail sich verärgert; Thales kennt meine
Gefühle nur zu gut. Aber es stimmte schon, dass sein Herz
vor Aufregung etwas schneller schlug.
    In ihren kokonartigen Anzügen gingen Michail und Eugene
zögernd aufeinander zu. Eugenes Gesicht, eine Skulptur aus
flächigen Schatten, war durch sein Visier kaum zu sehen. Er
sieht sehr jung aus, sagte Michail sich. Trotz der hohen
Position, die er innehatte, war Eugene gerade einmal
sechsundzwanzig – ein richtiges Wunderkind.
    Michail wusste zunächst nicht, was er sagen sollte.
»Es tut mir Leid«, sagte er dann. »Es verirren
sich nicht sehr viele Besucher hierher.«
    Eugenes soziale Kompetenz schien indessen nicht so hoch
entwickelt zu sein. »Haben Sie es schon gesehen?«
    Michail wusste, was er meinte. »Die Sonne?«
    »Die aktive Region.«
    Natürlich war der Junge wegen der Sonne hergekommen.
Wieso hätte er sonst eine Solar-Wetterstation besuchen
sollen? Bestimmt nicht wegen des spröden Astrophysikers
jenseits der vierzig, der die Station betrieb. Und doch
verspürte Michail einen irrationalen Anflug von
Enttäuschung. Er versuchte verbindlich zu klingen.
»Aber arbeiten Sie denn nicht mit Neutrinos? Ich dachte,
Ihr Fachgebiet sei der Kern der Sonne, nicht die
Atmosphäre.«
    »Das ist eine lange Geschichte.« Eugene schaute
ihn finster an. »Es ist wichtig. Wichtiger, als Sie ahnen.
Ich habe es vorhergesagt.«
    »Was denn?«
    »Die aktive Region.«
    »Auf Grund Ihrer Studien des Kerns? Das verstehe ich
nicht.«
    »Natürlich verstehen Sie das nicht«, sagte
Eugene, wobei es ihm anscheinend egal war, ob er sein
Gegenüber mit dieser Äußerung brüskierte.
»Ich habe meine Prognosen bei Thales und Aristoteles
eingeloggt und zum Beweis mit einer Datensignatur versehen. Ich
bin hergekommen, um die Daten zu bestätigen. Es ist genauso
eingetreten, wie ich es vorhergesagt habe.«
    Michail rang sich ein Lächeln ab. »Wir werden uns
darüber unterhalten. Kommen Sie rein. Sie haben Zugang zu
allen Daten. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Sie müssen mich anhören«, forderte
Eugene.
    Sie… ? »Worum geht es denn?«
    »Um das Ende der Welt«, sagte Eugene.
»Möglicherweise.« Sprach’s und ging zur
Staubschleuse. Michail stand mit offenem Mund da.
     
    Sie sprachen nichts miteinander, während sie sich durch
die Staub- und die Luftschleuse ins Habitat vorarbeiteten. Die
Menschen auf dem Mond waren noch immer Pioniere; deshalb
vergaß ein vernünftiger Mensch alles andere, wenn er
sich von einer sicheren Umgebung zu einer anderen bewegte, und
konzentrierte sich auf die Lebenserhaltungsprozeduren, die er
dabei durchlief: Man musste darauf achten, dass Dichtungen und
Verriegelungen intakt waren und dass man beim An- oder Ausziehen
eines EVA-Anzugs keinen Fehler machte. Und ein
unvernünftiger Mensch konnte von Glück sagen, wenn er
gewaltsam des Mondes verwiesen wurde, bevor er sich selbst oder
andere umbrachte.
    Michail legte dank der täglichen Routine den EVA-Anzug
als Erster ab. Als der Anzug dann zur Reinigungsstation rutschte
– irgendwie ein grotesker Anblick, als die Servomotoren den
Anzug wie eine abgezogene Tierhaut über den Boden schleiften
–, ging Michail in Unterwäsche zu einem Waschbecken
und wusch sich unter langsam tropfendem Wasser die Hände.
Der grauschwarze Staub, der draußen am Anzug sich
abgelagert und den auch die Staubschleuse nicht vollständig
zu entfernen vermocht hatte, hatte sich in seinen Poren und unter
den Nägeln festgesetzt und verband sich langsam mit dem Fett
der Haut, wodurch ein Geruch wie von Schießpulver entstand.
Der Mondstaub war schon ein Problem gewesen, als ein Mensch die
ersten Schritte hier gemacht hatte: Der hochfeine Staub gelangte
überallhin und oxidierte sofort, sobald er die Gelegenheit
dazu bekam; im Staub korrodierte alles, von mechanischen Lagern
bis hin zu menschlichen Schleimhäuten.
    Natürlich waren es nicht die konstruktiven Probleme des
Mondstaubs, die Michail in diesem Moment beschäftigten. Er
riskierte einen Blick. Eugene hatte Stiefel und Handschuhe
ausgezogen, nahm

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