Sonnentaucher
ab. »Dieser Funkspruch war eine Fälschung.«
Jacob empfand Mitleid mit ihr. Die über alle Maßen selbstsichere Psychologin stammelte plötzlich, und in ihrem Schock klammerte sie sich an weit hergeholte Ideen. Es war peinlich, und er wünschte sich weit weg.
»Können Sie beweisen, daß der Maserspruch eine Fälschung war?
Können Sie mir einen Beweis zeigen?«
Martine sah zu ihm auf. Sie wirkte plötzlich sehr unsicher, als wisse sie nicht, ob sie ihm mehr darüber sagen solle.
»Die... die Besatzung hier... Haben Sie das Masergramm gesehen?
Diese Frau hat es uns lediglich vorgelesen. Sie und die anderen... sie hassen Pierre...«
Ihre Stimme versiegte kraftlos, als wisse sie, daß ihr Argument äußerst dünn war. War es etwa denkbar, dachte Jacob, daß die Kommandantin von einem Textstreifen etwas abzulesen vorgegeben und sicher gewußt hatte, daß niemand verlangen würde, die Nachricht selbst zu sehen? Oder würde sie, wenn es denn so wäre, LaRoque tatsächlich in die Lage versetzen, jeden Penny, den sie in siebzig Jahren verdient hatte, aus ihr herauszuklagen, nur weil sie ihn nicht mochte? Hatte Martine noch mehr sagen wollen?
»Warum gehen Sie nicht in Ihr Quartier und ruhen sich ein bißchen aus?« schlug er vor. »Und zerbrechen Sie sich nicht den Kopf wegen Mr. LaRoque. Es erfordert mehr Beweismaterial als das, was man jetzt hat, um ihn auf der Erde des Mordes zu überführen.«
Martine ließ sich von ihm in den Aufzug führen. Drinnen drehte Jacob sich noch einmal um. DaSilva war mit ihrer Crew beschäftigt, und Kepler hatte man nach unten gebracht. Culla stand niedergeschlagen neben Fagin, und die beiden überragten turmhoch jeden anderen in der Kammer unter der großen gelben Scheibe der Sonne. Als sich die Aufzugtür schloß, fragte er sich, ob dies wirklich ein gutes Omen war, eine Reise zu beginnen.
Fünfter Teil
Das Leben ist eine Extension der physikalischen Welt. Biologische Systeme verfügen über einzigartige Fähigkeiten. Gleichwohl müssen sie sich den durch die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Umgebung und der Organismen selbst auferlegten Beschränkungen fügen ... Evolutionäre Lösungen biologischer Probleme werden ... durch die chemo-physikalische Umgebung beeinflußt.
-R OBERT E. R ICKLEFS , Ecology
14. Der Abgrund des Meeres
Projekt Ikarus nannte man es – das vierte Raumfahrtprogramm dieses Namens, und das erste, dem er angemessen war. Lange bevor Jacobs Eltern zur Welt gekommen waren – vor dem Umsturz und dem Bund, vor der Liga der Kraftsatelliten, ja vor der Blütezeit der alten Bürokratie – hatte die alte Großmutter NASA befunden, es müsse interessant sein, Einwegsonden in die Sonne stürzen zu lassen und zu sehen, was passieren würde.
Sie entdeckten, daß die Sonden etwas ganz Altmodisches taten, wenn sie nah genug herankamen. Sie verbrannten.
Im amerikanischen ›Indianersommer‹ hielt man nichts mehr für unmöglich. Amerikaner bauten Städte im All – da konnte eine widerstandsfähigere Sonde keine so große Herausforderung sein!
Man fertigte eine Außenhaut aus Materialien, die nie gekannten Belastungen widerstanden und deren Oberfläche beinahe alles reflektierte. Magnetfelder lenkten das diffuse, aber ungeheuer heiße Plasma von Corona und Chromosphäre um diese Außenhaut herum und von ihr weg. Leistungsfähige Kommunikationslaser durchbohrten die Sonnenatmosphäre und ermöglichten einen in beide Richtungen fließenden Strom von Daten und Kommandos.
Und trotzdem verbrannten die Robotschiffe. Wie gut Isolierung und Spiegelhülle auch sein mochten, wie gleichmäßig die Superleiter die Hitze auch verteilten – die Gesetze der Thermodynamik verloren nicht ihre Gültigkeit. Die Hitze wird aus einem Bereich mit höheren Temperaturen in einen Bereich mit niedrigeren Temperaturen eindringen – früher oder später. Vielleicht hätten die Solarphysiker weiterhin resigniert Sonde um Sonde verglühen lassen, um kurz aufsprühende Informationsstöße aufzufangen, wenn Tina Merchant nicht ein anderer Weg eingefallen wäre.
»Warum kühlt ihr die Dinger nicht?« fragte sie. »Ihr habt soviel Energie wie ihr wollt. Ihr könnt damit Kühlsysteme betreiben, mit denen die Hitze aus einem Teil der Sonde in einen anderen gedrängt wird.«
Ihre Kollegen antworteten, daß es mit Superleitern überhaupt kein Problem sei, die Hitze gleichmäßig zu verteilen.
»Wer redet von gleichmäßiger Verteilung?« erwiderte die Schöne von Cambridge.
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