Sonnentaucher
Stützpunktes absuchen lassen, nur um sicherzugehen.«
Kepler lachte. »Ich glaube nicht, daß er da draußen ein Ziel hatte.
Probanden haben niemals ein Ziel. Sie folgen niedrigen Instinkten. Er wollte nur aus der Geschlossenheit des Stützpunktes entkommen – wie ein gejagtes Tier.«
LaRoques Gesicht blieb ausdruckslos. Aber Jacob fühlte, wie seine Armmuskeln sich spannten, als er davon sprach, die Gegend draußen zu durchsuchen, und wie sie sich wieder lockerten, als Kepler den Vorschlag beiseite wischte.
»Dann glauben Sie nicht mehr, daß es sich um einen Erwachsenenmord handelt?« fragte Jacob, als Kepler sich umwandte und sie auf die Aufzüge zugingen. Kepler bewegte sich langsam.
»Wie sollte das Motiv aussehen? Jeff hat keiner Fliege etwas zuleide getan. Ein anständiger, gottesfürchtiger Schimpanse. Außerdem hat im ganzen System seit zehn Jahren kein Bürger mehr einen Mord begangen. So etwas ist so selten wie ein Meteor aus Gold!«
In diesem Punkt hatte Jacob seine Zweifel. Die Statistiken waren vor allem ein Kommentar zu Polizeiaktionen. Aber er schwieg. Als sie bei den Aufzügen angekommen waren, sprach Kepler ein paar Worte in ein Sprechgerät an der Wand. Beinahe augenblicklich erschienen ein paar weitere Männer und nahmen LaRoque in ihre Mitte. »Ach, übrigens – haben Sie die Kamera gefunden?« fragte Kepler. Einen Moment lang war Jacob unschlüssig. Er erwog, sie zu verbergen und dann später so zu tun, als habe er sie soeben entdeckt. »Ma camera a votre oncle!« schrie LaRoque. Er streckte die Hand aus und versuchte, in Jacobs Gesäßtasche zu greifen. Die Männer rissen ihn zurück. Einer kam auf Jacob zu und hielt ihm die flache Hand entgegen. Zögernd rückte Jacob die Kamera heraus.
»Was hat er gesagt?« wollte Kepler wissen. »Was für eine Sprache war das?«
Jacob zuckte die Achseln. Ein Aufzug stoppte, und ein Schwarm von Leuten strömte hervor, unter ihnen Martine und daSilva. »Das war nur ein Fluch«, antwortete er. »Ich glaube, er hat etwas gegen Ihre Vorfahren.«
Kepler lachte laut.
13. Unter der Sonne
Jacob fand, daß die Kommunikationskuppel wie eine Blase aussah, die aus Teer hervorquoll. Rings um die Halbkugel aus Glas und Stasis verströmte die Oberfläche des Merkur ein matt funkelndes Licht. Es war, als sei das reflektierte Sonnenlicht flüssig, wodurch sich das Gefühl verstärkte, man befinde sich in einer Kristallkugel, die im Morast steckte und nicht in die freie, saubere Luft entkommen konnte.
Das Gestein in der Nähe sah seltsam aus – ungewöhnliche Mineralien, die sich in dieser Hitze und unter dem unablässigen Beschuß von Partikeln des Sonnenwindes geformt hatten. Der Blick verharrte ratlos auf Pulver und merkwürdigen Kristallformen. Und da waren auch noch Pfützen, über die nachzudenken man sich scheute.
Und noch etwas anderes, dicht über dem Horizont, forderte Aufmerksamkeit.
Die Sonne. Sie war ganz matt – reduziert durch kraftvolle Filter. Aber die weißlich gelbe Kugel sah aus wie ein goldener Löwenzahn, so nah, daß man glaubte, sie berühren zu können – eine leuchtende Münze. Dunkle Sonnenflecken zogen sich vom Äquator aus fächerförmig in nord- und südöstliche Richtung. Die Oberflächenstruktur war so fein, daß das Auge sie nicht genau zu erfassen vermochte.
Wenn Jacob geradewegs in die Sonne blickte, fühlte er sich seltsam losgelöst. Gedämpft, doch nicht rotgetönt, badete das Licht die Leute in der Kuppel in seinem kräftigenden Glühen. Bänder aus Sonnenlicht schienen Jacobs Stirn zu liebkosen.
Es war, als habe er, wie eine alte Echse, die mehr als nur Wärme suchte, sein ganzes Ich dem Herrn des Weltalls entblößt, als fühle er unter diesen Feuern eine Kraft, die an ihm zerrte, einen Drang aufzubrechen.
Eine unbehagliche Gewißheit erfüllte ihn. Da lebte etwas in dieser Lohe. Etwas schrecklich Altes, schrecklich Fremdes.
Unter der Kuppel standen Menschen und Maschinen auf einem Boden aus verschmolzenem Eisensilikat. Jacob legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den mächtigen Pylon in der Mitte des Raumes, der oben aus dem Stasisschirm in den heißen Merkur-Sonnenschein hinausragte.
An seiner Spitze befanden sich die Maser und Laser, die für die Verbindung zwischen Stützpunkt Hermes und der Erde sorgten und über ein Netz von synchronisierten, fünfzehn Millionen Kilometer hoch über der Oberfläche im Orbit kreisenden Satelliten den Sonnenschiffen in den Mahlstrom von Helios folgten.
Auf dem
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