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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Hübsche, lass uns tanzen!«
    »›Diebin im Überfluss‹«, intonierte der Poet und schnappte noch rechtzeitig sein Notizbuch, bevor der Richter den Tisch umstieß. »›Stiehl unsere toten Herzen …‹«
     
    Überall griff jetzt die Kälte um sich. Schwarzes Wasser kam die Pfeiler des Sylvischen Aquädukts heruntergesickert, das meiste kam gar nicht unten an, weil es vorher gefror. In den verwilderten Tunneln zitterte der Efeu. Tief in der Oxygengrube mixte Dog Schwartz die besten Drogen der Galaxis und verabreichte sie den Häuptlingen der Chaos-Kaverne, dank eines verschwiegenen Krankenhauses, das von einem senilen, irren Cyborg regiert wurde. Norval Khan saß barbrüstig da, derweil sich seine Waffenmeister abrackerten und ihm die dicken Mammas pulverisierte Matrix in die Wunden rieben. Aufgebockt in einer Umgebung allumfassenden weißen Rauschens sang Lupin, sein epileptischer Zwerg, von gezähmten Quarks und Zeitflüssen und von der Geheimnisvollen, der ultimativen Spielwelt-Prinzessin. »Sie spricht zu mir aus ihrem Palast auf der zehntausendsten Etage! Sie sagt, wir müssen mächtige, starke Maschinen bauen!«

    Stoned bis zur Bewegungslosigkeit grinsten Dog Schwartz und Norval Khan erst das kleine Orakel und dann einander an. Ihre Münder dampften in der bitteren Kälte.
     
    Tabea Jute nahm an einem festlichen Abendessen bei Kerzenlicht teil. Dorcas Mandebra und Kenny der Schrante brachten sie zu ihrem Stuhl. Dorcas winkte den dienstbeflissenen Oberkellner und seine Mannschaft zurück. Sie saß zur Rechten von Tabea; zur Linken von Tabea saß Gastgeber Vanderlinc Bolt vom Mivvy-Konzern. Und hinter Tabea stand Kenny in seinem anthrazitfarbenen Lederwams, die großen Tatzen in passgenauen schwarzen Lederhandschuhen.
    Der Raum war kostspielig eingerichtet, aber nicht sehr groß. Dorcas hatte sie bekniet, einen anderen Leibwächter mitzubringen, vorzugsweise einen Menschen, aber Tabea hatte nicht auf sie gehört. Sie wusste nicht, was diese Leute wollten, und traute in diesen Tagen keinem über den Weg. Das Kerzenlicht setzte allen, die rings um den Tisch saßen, Masken aus lebendigem Gold auf. Sie waren alle vom Mivvy-Konzern, und sie waren alle Menschen, bis auf einen. Sie boten ein Geschäft an, es ging um die Stromversorgung eines Blocks in der mittleren Schläfenregion rechts. Als Gegenleistung wollten sie die Kontrolle über diesen Bereich und die garantierte Immunität gegenüber Obristin Stark und ihre Rotmützen. »Woanders«, sagten sie verbindlich, »bleibt genug zu tun für sie.«
    Der Oberkellner kam mit einem Silbertablett und brachte Käpt’n Jute ein Glas und eine Flasche Bier. »Ihre Lieblingsmarke, Käpt’n, wenn ich mich nicht irre«, sagte Vanderlinc Bolt.
    Käpt’n Jute saß da, die Ellbogen auf dem Tisch, die Hände locker gefaltet. Sie blickte auf das Etikett. Trajan Reserve. Die Marke war ihr seit Jahren nicht mehr untergekommen. Alle hatten
gesagt, davon sei nichts mehr übrig an Bord. »Nein, danke. Ich möchte Wein trinken«, sagte sie.
    Dorcas Mandebra lachte hell. »Du magst keinen Wein!«, sagte sie.
    Tabea rollte kurz die Schultern und sah Dorcas Mandebra ins Gesicht. Dorcas Mandebra lächelte eindringlich. Bei Kerzenschein war ihre Haut gelb und rot gefleckt. Sie sah aus wie ein gepuderter Granatapfel. Dorcas Mandebra war eine Langweilerin. Tabea fiel eben ein, dass Dorcas Mandebra zu den langweiligsten Leuten an Bord zählte. Die ganze Sache war stinklangweilig. Sie hatte keine Ahnung, warum sie das mit sich machen ließ.
    Sie nahm das Glas Montrachet, das der Kellner vor sie hingestellt hatte, und trank, ohne den Wein anzusehen, schluckte, ohne zu probieren. »Lecker«, sagte sie und setzte das Glas blindlings ab. Sie hörte, wie jemand sagte:
    »Wie vom Erdboden verschluckt.« »Ist jemand verschwunden?«, fragte sie unverblümt. »Wer?« »Du weißt doch«, sagte Dorcas und berührte sie leise am Arm. »Der Mann mit dieser schrecklichen Show im Merkur-Palast.«
    Tabeas Brustwarzen zogen sich zusammen. Ihr Körper erinnerte sich. Sie spürte einen Hauch von Melancholie, wie wenn man in einem dunklen Tunnel ein fernes Licht sieht. Sie aß etwas. Sie wusste nicht, was es war. Sie sagte: »Die Sanitäter haben sich um ihn gekümmert. War mir schon klar, dass sie das würden.«
    Sie wünschte sich, sie könnte alle Probleme so leicht vom Tisch fegen, besonders die selbst gemachten.
     
    Bolt hatte den Platz mit einem hellhäutigen Mann getauscht, den er als seinen

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