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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Zodiak blickte Kenny an. »Scheitel 10-20«, sagte sie.
    Tabea wusste, wo das war. Sie stand auf und verließ das Apartment. Sie holten sie draußen ein, wo gerade ein Wachmann von seinem Motorrad stieg. »Wo willst du hin?«, schrie Sarah.
    »Dodger«, sagte Käpt’n Jute. Der Wachmann machte Augen, als sie auf ihn zukam.
    »Käpt’n, Sie sind noch nicht stabil genug«, rief die Schwester.
    »Ich bin schon unterwegs«, erwiderte Käpt’n Jute. Mit dem schaurigen Charme einer Schlafwandlerin schwang sie sich auf die Maschine.
    Der Wachmann stand daneben, sprungbereit. Er blickte Kenny fragend an. Kenny hatte sich vor das Motorrad gestellt, die Schultern vorgekrümmt. Der Wachmann sah sich nach einem anderen Motorrad um, aber alle Maschinen waren unterwegs. Oib schrappte ihr Fell. »Hesie hetöten hedich!«, krähte sie besorgt.
    »Tschüssikowski«, rief Tabea. Sie drückte ihr Armbandset an den Starter. Der Motor sprang an.
    Kenny ging um die Maschine herum, bereit, auf den Sozius zu springen. »Ich auch«, sagte er.
    Sie gab Gas und drehte um. »Ich fahre allein«, sagte sie.

    Scheitelstraße 10 war draußen mitschiffs, hinter der Zentralen Windung. Die alten Namen hatten inzwischen ihren Sinn verloren. Beim Wiedereintritt veränderte Plenty ihre Gestalt, brach neue Korridore auf, die in unvermutete Kammern führten. Sollte Plenty noch irgendeine Ähnlichkeit mit einem Gehirn haben, dann gehörte dieses Hirn einer Kreatur, die noch kein menschlicher Anatom seziert hatte. In den Schächten und Tunneln konnte man die Waffen hören und fühlen, wie die Furien von einem Dutzend verstreuter Schlachten in den Wänden vibrierten. Leute, die zuvor keine Angst gekannt hatten, hielten es nicht mehr für ausgeschlossen, dass das Schiff noch während des Wiedereintritts in Stücke gesprengt wurde.
    Käpt’n Jute traf mit der Meute ein, die ihr zugelaufen war, Anwohner, barfüßige Kinder, trompetende Vespaner, alle hatten Augen gemacht, als sie vorbeifuhr, und gestikuliert und geschrien, um ihr zu zeigen, wo die erfolgreichen Fahnder wohnten. Auf den lokalen Treppen drängten sich die Fans, Doppelgänger, Apostel und Jünger der Geheimnisvollen. Auch Pater Le Coq war da in seiner langen, malvenfarbenen Jacke mit der schillernden Weste darunter, obenauf den ramponierten Zylinder und mehr Ringe denn je an den Fingern. Er war auf die Teufelin vorbereitet. Einen gespitzten Pflock aus richtigem Holz schüttelnd, kam er aus der Menge getrippelt und hielt Tabea fest, die sich Schulter voran einen Weg zum Apartment bahnte.
    »Warten Sie, Käpt’n, warten Sie, um Ihrer unsterblichen Seele willen.« Der Hahn roch nach Blut und Schlangen und stank auch sonst zum Himmel. Er redete ihr ins Gesicht. »Die ›Geheimnisvolle‹, dreimal ›e‹, multipliziert mit der Primzahl Fünf macht fünfzehn. Die Quersumme ist sechs, eine Sechs davor, eine danach, warum? Weil das ›e‹ dreimal vorkommt und 666 die
Zahl der Bestie ist!« Er verdrehte die Augen und knirschte mit den langen, gelben Zähnen.
    Käpt’n Jute legte ihm die Hand auf die Schulter. Er zog den Kopf zurück und schielte sie durch seine verschmierte Brille an. »Sind das Ihre Leute, Pater?«
    In einer Parodie von Bescheidenheit zog er den Kopf ein. »Wir sind alle Gottesleute, Schwester.«
    »Die sollen den Weg freimachen, Pater«, sagte sie.
    Der Hahn sprang rückwärts und schwang seinen Pflock. »Alle zurücktreten!«, krähte er. »Alle zurück jetzt!«
    Vor dem Eingang lichtete sich die Menge. Die Tür ging auf. Eine silberne Scheibe lupfte heraus, einen halben Meter über dem Boden, darauf saß jemand Glänzendes, Schwarzes und sehr Kleines.
    In die Menge kam Bewegung, Zorn, Freude und Forderungen machten sich Luft. »Zeig uns die Frau!« Leute mit Video- und Audiorekordern drängten sich vor. Pater Le Coq stand breitbeinig da, den Pflock an beiden Enden haltend, und versuchte sie zurückzuhalten.
    Die Tür schloss sich hinter Tabea. Sie sackte gegen die Wand. »Heiliger Herr Jesus im Rollkuchen«, stöhnte sie.
    Der Cherub schwankte, blieb auf Distanz. »Geht es dir nicht gut, Käpt’n?«
    »Ich bin okay«, sagte Tabea nicht ganz wahrheitsgemäß. Sie sah sich um. Die Diele war rohe Matrix mit den üblichen Verfärbungen durch Verwahrlosung, Rauch und Sickerwasser. Es roch deutlich nach Katzenpisse. »Wo sind sie?«
     
    Hinter der Diele öffnete sich ein großer, genau genommen riesiger Raum. Schmuckvolle Treppen führten auf andere Etagen. Der Boden war mit

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