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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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schwenkte einen Riesenarm in Richtung des Patienten, der in einer Laube aus klobigen Apparaturen lag. Leitungen führten in den Hals des Patienten, in seine Nase, eine ganze Krone von Leitungen führte in sein Hirn. »Monsieur Gules ist das, was man im hoch spezialisierten medizintechnischen Jargon einen Blumenkohl nennt. Kann man das so sagen, Schwester? Ja. Der arme Leroi sollte operiert werden …« Seine Zungenspitze produzierte eine kleine Kaskade an Sauggeräuschen, bevor er Luft durch die Zähne zog. »Und kam nicht mehr zu sich.«
    Der Schmutzige nahm die Hände nach hinten und das Kinn an den Brustkorb. Verwirrt nahm Schwester Rix zur Kenntnis, dass er den Chefarzt mimte, der einem Saal voller Medizinstudenten einen Fall umriss. »Es war billiger, ihn am Leben zu erhalten, als den Rechtsstreit durchzustehen, falls er starb. Jetzt natürlich …«
    Er hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
    Wie jedes Mal juckte es Dog auch jetzt in den Fingern: Er zupfte an einem Infusionsschlauch, zog am Zipfel eines Lakens. Schließlich packte er Monsieur Gules’ großen Zeh mitsamt der Decke darüber und wackelte damit.
    »Machen Sie weiter, Schwester.«
     
    Suite No. 4 machte den Eindruck eines Gewächshauses. Überall Blumen und Sonnenschein. Man hörte das geschäftige Treiben von Bienen, das schläfrige Plätschern unsichtbarer Springbrunnen. Zwischen den Gladiolen saß eine hagere Frau mittleren Alters auf einem weiß lackierten schmiedeeisernen Gartenstuhl.
Sie trug eine immer wieder gestopfte gelbe Strickjacke und das graue Haar im dichten Afrolook. Eine schlimme Narbe verunzierte ihr Gesicht, und ein Fuß unter dem Saum ihres Nachthemds schien leicht verdreht. »Und das ist Hauptfrau Kathleen Beaufort«, sagte Dog Schwartz und kratzte sich den Bart. »Kathleen gehörte zu den Finalen Rächern im Luftkrieg gegen die Frasqui. Sie fühlt sich einfach wohl hier, nicht wahr, Kath? Hier in der Frasqui-Festung?«
    Die dünnen Schultern krümmend lehnte sich die Frau den Störenfrieden entgegen, als wolle sie sich durch die schiere Kraft ihres Hasses aus dem Stuhl katapultieren. Ihr gellender Schrei fuhr ihnen durch Mark und Bein.
    Aus den Stockrosen kam etwas angeflogen. Der Irrwisch - ein riesiges graues Heupferd mit Rosinenaugen und den Klauen eines Zwerghummers. Er stürzte sich wie ein fliegender Wachhund auf die Eindringlinge, die Kiefer sperrangelweit, die Scheren gespreizt.
    Gunky Monkey schlug die Tür von No. 4 zu.
    Niglon Leglois lehnte schwitzend an der Flurwand. »Wo sind wir hier?«, stöhnte er.
     
    Sie standen, Leglois und Dog Schwartz und Gunky Monkey, vor der Tür mit der Nummer 5. Dahinter war elektronische Musik zu hören, Orgelklänge und phasenverschobene Gitarren.
    Dog beugte sich runter, um Leglois ins Ohr zu sagen: »Das ist ein Krankenhaus, Leg.«
    »Eine Klinik für ansteckende Krankheiten«, sagte Monk am anderen Ohr.
    Dog Schwartz lachte über Leglois’ Kopf hinweg. »Sehr gut, Monk, ja, das gefällt mir. Sehr ansteckend, ja.«
    Dog klingelte.

    Die Tür zischte beiseite. Die Musik schlug ihnen ins Gesicht wie das Wasser bei einem Rohrbruch.
    Sie blickten in einen überladenen, altertümlichen Raum mit Kerzenwachs auf dem Boden und Postern mit Schwarzlichtmandalas und Tierkreiszeichen an der Wand. Außerdem gab es hier einen Messingkronleuchter, ein Aquarium und einen alten Mann in einem prothetischen Hightech-Skooter und eine Vespanerin im weißen Kittel, die neben ihm kniete.
    Dog sagte oder vielmehr schrie: »Da sind wir, Leg. Das ist dein alter Onkel Charlie.«
     
    »Die Geheimnisvolle konnte entkommen.« »Wer versteckt die Geheimnisvolle?« »Wo schlägt die Geheimnisvolle wieder zu?« Die Dokumentation auf Kanal 2 gab dem aufblühenden Kult um dieses Phantom enormen Auftrieb. Der Moderator nannte sie »unsere Lieblingsverbrecherin« und redete mit einigen Fans, Mitgliedern der sogenannten Silikon-Sekte, die in ihr ein »magisches Wesen« sahen. Nur wenige Augenzeugen ließen ihre angebliche Ähnlichkeit mit Käpt’n Jute unerwähnt, obwohl es eigenartigerweise keine verwertbaren Videos gab - ein paar verrissene und unscharfe Aufnahmen aus freier Hand, ein paar flüchtige Eindrücke von Überwachungskameras mit allzu niedriger Auflösung, vage Zeichnungen, die ernsthafte Zehnjährige hochhielten. Alles war verlockend unbrauchbar und musste mit sehr viel Spekulation angereichert werden und mit »künstlerischen Impressionen« der »Schatzhöhle« der großen Diebin und mit

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