Sonnenwanderer
Unsterblichkeitsgaranten noch eine ganze Busladung von Jägern angeschlossen. Eher gewöhnt, wild lebende Tiere zu verfolgen, von denen, wie sie behaupteten, in den unteren Korridoren noch manche ihr Dasein fristeten, obwohl nur wenige jemals einen handfesten Beweis mit nach Hause gebracht hatten, waren diese Jäger fest überzeugt, »die richtigen Männer für diesen Job« zu sein. Einer von ihnen war ein Exorzist, Monsignore Archibaldo, der sein relativ großes Kruzifix wie eine automatische Waffe in der Armbeuge trug.
Käpt’n Gillespie konnte nur hoffen, dass ihr das selbsternannte Aufgebot nicht aus dem Ruder lief, wenn die Zeit gekommen war. Bis dahin waren ein paar Waffen durchaus beruhigend.
Katzen flohen vor ihren Stiefeln.
Es gab ein Dutzend Läden, die nicht unter Schutt begraben lagen, sie waren völlig leer. Textilien, Spielsachen, Konserven und andere Konsumgüter mussten schon vor Monaten weggeschafft worden sein. ALLES MUSS RAUS, sagte ein Schild. »Tüchtige Leute«, meinte Ronald, der Xtaska-Adept, mit einem kleinen schaurigen Lachen.
Die Biofluoreszenzröhren in den Fußtunneln glommen automatisch auf, allerdings nur die intakten. Viele blieben schwarz und stanken. Der bleiche grüne Schein verlieh allen eine Totenblässe; Zombies auf Schnäppchensuche in geplünderten Fabrikläden.
Der Professor zeigte auf einen Lageplan an der Wand. »Kopf hoch, Leute!«, rief er. »Nach dieser Karte warten vor uns Betten. Richtige Betten!«
Beifall kam von den Exobiologen, unter denen auch Frauen und Kinder waren. Den Jägern schien es einerlei zu sein.
Der Innenhof des längst aufgegebenen Motels war übersät mit autonomen Altmetallsammlern in Krabbengestalt, festgelaufen und klumpenweise rostend. Als hätten sich die kleinen Drohnen allesamt hierher bemüht, um sich ein letztes Mal ihrem größten Feind entgegenzustemmen, einem Tsunami der Zeit, der sie überrollt und im Nu hatte vergreisen lassen. Die Kabinen waren intakt, und nachdem ein paar Schlösser Bekanntschaft mit dem Brecheisen gemacht hatten, gab es Betten für alle. Dodger beschlagnahmte eine Doppelkabine.
Johanna war, wie sie mit Erstaunen bemerkt hatte, noch Jungfrau. »Aber ich hatte Männer«, beteuerte sie.
»Jesus, Mädel, wer nicht?« Dodger lachte ihr gackerndes Lachen, das an einem zünftigen Husten erstickte.
»Schnellstart nach dem Frühstück«, befahl der Professor. »Das gilt für alle.«
Alle waren ausgeruht, rieben sich die Hände. Xtaska war schon lange munter, berichtete, dass es seit ihrem Aufbruch keine Sichtungen gegeben hatte, auch keinen mysteriösen Diebstahl. Die Jäger grinsten. »Sie kommt nicht zum Klauen«, verrieten sie den Exobiologen. »Wir halten sie auf Trab.«
Dodger sagte nichts. Sie gönnte sich einen zweiten Kaffee …
Die Xtaska-Adepten hatten wieder den Jeep requiriert. Ronald saß auf dem Beifahrersitz, Johanna saß hinten. Lloyd stürzte die Stufen hinunter und warf sich nichts ahnend zu Johanna auf die Rückbank. Als Dodger endlich kam, rief Ronald aus dem Wagenfenster: »Der Letzte fährt«, zwinkerte und grinste zur Abwechslung wie ein Honigkuchenpferd.
»Junges Gemüse«, knurrte Dodger, klemmte sich hinter das Steuer und stöpselte sich die Spiralkabel in den Kopf. »Ich habe nicht vor, dich fahren zu lassen, Ronald, keine Sorge.«
Als sie hinter dem Hovervan ausscherte, spürte Käpt’n Gillespie das Zittern der Straße unter den Rädern. Das Schiff bebte immer mal wieder. Die Vespaner klagten ständig darüber. Diesmal schien es niemand zu bemerken, und sie sah keinen Grund, es zu erwähnen.
Sie fuhren zwischen Streifen sterbender Exoflora in die Eingeweide von Plenty.
Die Zoologen und Botaniker unter Führung der Doktoren Sologato machten sich so gut wie keine Gedanken um die Geheimnisvolle; sie waren mit dem vorgeschobenen Grund der Expedition vollauf zufrieden. Die Jäger steuerten sarkastische Kommentare und Witze bei. »Blumen für die Liebste!«, riefen sie im Chor, wann immer eine besonders glupschige und klebrige Strähne an unterirdischer Flora von der Decke baumelte und an die Frontscheibe des Busses klatschte. Die Tatsache, dass sie eine Frau jagten, machte sie richtig an. Es wurde geprahlt und spekuliert. Aber weil Kinder zuhörten, hielt man sich ein bisschen zurück. Und Dodger Gillespie wunderte sich, dass keiner von den Leuten die Geheimnisvolle jemals zu Gesicht bekommen hatte, außer in Nachrichtensendungen und Dokumentationen. Keiner von ihnen
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