Sonnenwanderer
an diesen trostlosen See zu laden.
Ohne jemals in ihre Nähe zu kommen, umkreiste er Tabea. Sie spürte, dass jede seiner Bewegungen einer Choreografie folgte, die sie beide unausweichlich und im richtigen Augenblick miteinander konfrontieren würde. Oder lag das am Crystal? Nach Tujong geschnupft, konnte Crystal alles als unausweichlich und absichtsvoll erscheinen lassen.
Jogo senkte ihre Nase und tat einen kleinen, schnüffelnden Seufzer. Sie war die Einzige ihrer Art hier, abgesehen von Kyfyd, dem obersten Leibwächter von Käpt’n Jute, und mit ihm durfte sie heute nicht reden, weil sie keinen Auftrag dazu hatte. Es war das erste Mal, dass ihre Chefs sie beide an ein und denselben Ort beordert hatten, und das juckte. Sie wusste auch jetzt wieder nicht, wie es weitergehen sollte. Alles war wohl überlegt. Sie sah ihren Mann von der Seite an, aber der gab ihr nicht nur nichts zu verstehen, sondern nahm so gut wie keine Notiz von ihr.
Die Maske, die er ihr gegeben hatte, hing am dünnen Stab aus ihrer Hand. Die Finger taten ihr weh. Das taten sie immer, wenn sie etwas Dünnes oder Kleines lange festhalten mussten. Doch die Maske passte in keine Tasche, und sie einfach fallen zu lassen, das traute sie sich nicht, weil es falsch hätte sein können. Manchmal schien alles, was sie tat, falsch zu sein.
Sie konnte diesen schäbigen, nassen Ort nicht leiden mit all den Leuten, die in Sprachen redeten, die sie nicht verstand, mit der grausamen Musik, die ihr wie kreischende Sägen in den Kopf schnitt. Sie fand die Getränke scheußlich, die Parfüms und die verrückten, schrecklichen Kostüme. Die falschen Gesichter, die boshaft oder höhnisch auf sie herabgrinsten, weckten in ihr
das Bedürfnis hochzuspringen und die Zähne in einen Hals zu schlagen.
Sie näherten sich jetzt Käpt’n Jute, Grant Nichtsweiter und sie. Sie gingen direkt auf sie zu. Jogo erkannte Käpt’n Jute an ihrer Figur, an der auch eine Maske und ein roter Mantel anstelle eines schwarzen nichts änderten. Sie hatte sie viele Male gesehen, wenn sie Kyfyd besucht hatte, wenn auch nur selten aus dieser Nähe. Käpt’n Jute war kleiner, als sie im AV wirkte. Ein schwacher chemischer Geruch umgab sie, bittere Metallsalze, die Jogo in der Nase kitzelten.
Jogos Mann stand jetzt vor Käpt’n Jute. Er stellte sich mit Grant vor. Er habe sich schon lange auf diesen Augenblick gefreut.
»Grant und weiter?«, sagte Käpt’n Jute hinter ihrer Maske.
»Grant nichts weiter«, sagte er. »Tun Sie mir einen Gefallen und schenken Sie Ihrem größten Bewunderer ein, zwei Augenblicke.«
»Jeder ist mein größter Bewunderer«, sagte Käpt’n Jute, schickte ihn aber nicht fort. Er machte Anstalten, ihre Hand zu küssen, und sie ließ ihn gewähren.
Seine Finger verweilten einen Herzschlag lang unter ihrer Hand, dann zog er sie zurück. »Das ist die reizende Jogo«, stellte er Jogo mit einem flüchtigen Seitenblick vor. »Sie ist mir so treu ergeben wie ich Ihnen.«
Jogo sah die Augen hinter den Löchern der Maske. »Hallo, Jogo, ich glaube, wir kennen uns«, sagte Käpt’n Jute. Ihre Stimme klang distanziert, angestrengt, als stünde ihr mehr im Weg als nur die Maske.
Dann hob Käpt’n Jute einen Finger, und Kyfyd kam von hinten und bezog neben ihr Stellung. Jetzt waren sie zu viert.
»Da bist du ja, Kenny«, sagte Grant Nichtsweiter leichthin,
als ob die Begegnung geplant, vorbereitet, abgesprochen und geprobt sei. »Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst«, sagte er, obgleich Kyfyd die ganze Zeit in Sichtweite gewesen war. Er legte Jogo eine Hand auf die Schulter und strich zärtlich über ihren Pelz. »Auch Jogo hat sich das gefragt.«
Dann lächelte er Jogo an, zum ersten Mal heute.
Jogo sah ängstlich von Kyfyd zu Käpt’n Jute. Sie fragte sich, ob sie Kyfyd berühren durfte. Eigentlich durfte sie das nicht, solange er im Dienst war.
Käpt’n Jute schien die beiden auszublenden. Sie spielte mit den Rüschen am Ende ihres Ärmels und sagte: »Wieso habe ich Sie noch nie gesehen, Grant Nichtsweiter?«
»Vielleicht, weil ich es nicht für nötig hielt«, erwiderte er. »Oder weil ich es nicht wollte. Vielleich bin ich schüchtern.«
Das amüsierte Käpt’n Jute offenbar, denn sie lachte, wenn auch nur müde.
Jogo ging es besser, seit Kyfyd bei ihnen war. Sein Geruch tröstete sie. Sie sah ihn an, wollte wissen, wie er das alles fand; doch Kyfyd hatte nur Augen für ihren Mann. Er schluckte, leckte sich blitzschnell die
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