Sonnenwanderer

hoch, steckte sich die Zigarette hinters Ohr und folgte. Johanna begleitete sie nach unten. Beide ignorierten Xaviers gebrüllte Anweisungen.
    »Jetzt könnte ich ein Bier vertragen«, sagte Dodger.
    »Dein Wort in Gottes Ohr«, erwiderte Johanna. Sie trug zwei lockere, ärmellose Unterhemden übereinander und Frictionmax-Leggins. Das Xtaki-Kru-Tattoo auf ihrem braunen Arm schien von innen her zu glühen.
    Unter ihnen gähnte die Öffnung eines neuen Tunnels. Einer um den anderen kamen sie alle vorsichtig in den Tunnel geklettert. Er war stellenweise spiegelglatt und verlief ein paar Dutzend Meter weit horizontal, bevor er mehr und mehr in eine Abwärtsspirale überging. Der Kartenträger des Professors kratzte sich den Kopf und schürzte die Lippen. Er hatte fest damit gerechnet, dass es unter ihnen einen unzugänglichen Bereich gab, eine hermetisch versiegelte Blase aus Vakuum und Frost.
    Die Sologatos schabten winzige Proben einer seidenweichen schwarzen Substanz aus den Spalten und sperrten sie in Plastikbeutelchen, die sie minutiös beschrifteten. Ihre Kinder drückten
Trinkbecher gegen die Wand der Arterie und legten die Ohren daran. »Hört!«, sagte ein Mädchen. »Maschinen!«
    Alle lauschten und hörten das leise schleifende Summen, das langsam anschwoll, um sich ebenso langsam wieder zu entfernen. Es bedurfte eines etwa Zwölfjährigen, das Geräusch zu identifizieren. »Das sind die Lifte!«, rief er aufgeregt. »Wir müssen hinter den Liftschächten sein!«
    »Alle mal herhören«, rief Xavier überflüssigerweise. »Wir sind also tatsächlich hinter den Liften in der Fissura longitudinalis . Die Längsfurche kommt von wo?« Er warf einen vagen Blick auf die Karte, während man den Navigator etwas murmeln hörte. »Ja. Von der Zirbelspitze«, verkündete er, als sei seine Vermutung bestätigt worden.
    Diese Information schien allen furchtbar wichtig zu sein. Falls ihnen etwas zustieß, wusste man, wo sie zu finden waren. Außerdem war es gut, einen festen Bezugspunkt zu haben, vor allem, wenn man den kartografierten Bereich verließ.
    Sie kamen nur langsam voran, weil sie jeden Winkel, jede Spalte umkrempeln mussten. Alles, was ins Auge fiel, wurde ausgeleuchtet und aufgenommen. Die Jäger schmeichelten sich bei Elise ein und sorgten dafür, dass sie immer im Bild waren, möglichst von der Seite beleuchtet, weil sie dann markanter aussahen. Sie redeten lakonisch, in scharfgeschliffenen Kommentaren. »Das Geheimnisvollste an ihr ist, ob sie eine Kugel aufhalten kann.« Bei den Leuten, die sich zwischen den Killern mit ihren Doppel-Dingsda-Gewehren und den Zoologen und Botanikern mit ihrer Achtung vor dem Leben bewegten, wurde eine gewisse Spannung spürbar.
     
    Sie stießen auf ein Auto mit lauter Hebeln und Knöpfen und einem uralten terrestrischen Verbrennungsmotor, das in einem
Tunnel parkte, der kaum breit genug war, um es aufzunehmen. Jauchzend begannen die älteren der Jüngsten den Staub von der Haube zu wischen. Die Karosserie darunter glänzte wie neu. Die Türen waren verriegelt, der Tank leer, als habe der Besitzer einfach keinen Sprit mehr gehabt, sei fortgegangen und nie mehr wiedergekommen. Die silbernen Buchstaben an der Stirnseite sagten Cadillac . Cadillac! Der Name versetzte Dodger zwanzig Jahre zurück, als sie in Schlafsälen und Bars von Rio bis Callisto dieses Lied gesungen hatte …
    Buy me a Cadillac
So long and fine …
    wobei Tabea auf ihrer Mundharmonika gespielt hatte und Muni Vega auf der Klampfe, Jesus, wie die Zeit verging!
    »Wie zum Teufel kommt das Ding hierher?« Sie klang ein bisschen heiser.
    Monsignore Archibaldo ragte neben ihr auf, das Kruzifix im Anschlag. »Hütet euch vor den Fallstricken Satans«, warnte er, als sei der gestrandete Wagen eine gotteslästerliche Erscheinung. Seine Augen glitzerten vor spiritueller Entschlossenheit. »Ab jetzt müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen.«
    Hier unten stiftete so eine Plattitüde Unbehagen. Nicht das Geringste sickerte mehr nach hier unten durch, kein Licht, kein Laut. Die Sologato-Familie arbeitete sich zentimeterweise voran, leuchtende Displays an den Handgelenken und Westen. Die rohe Matrix roch streng, muffig, harzig, schwer wie Bohnerwachs. Wie um die bösen Vorahnungen des Exorzisten zu unterstreichen, drang aus den Rissen und Spalten das leise Zischeln von Schlangenwurz.
    Auf einer Schräge rutschte Elises Fuß weg, und sie landete auf
einem Überhang; sie war unverletzt, aber ihr Herz raste. »Wir holen sie,