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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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greisen, arglistigen Augen hinter den Brillengläsern weit aufriss.
    Als der Irrwisch aufschlug, entlud sich das Prallfeld mit einem grellblauen Blitz.
    Der kriegerische kleine Cyborg kreiselte bauchoben am Boden. Als Onkel Charlie ihn auf die Stoßstange nahm, summte er gequält auf, auch beim zweiten und dritten Mal. »Mieses kleines Scheißding«, zischelte der Alte.
    »Lass ihn!«, rief Grant Nichtsweiter von hinten.«Mach ihn nicht kaputt. Die Dinger sind knapp.«
    Die Schwestern standen da und besahen sich das Blutbad, als könnten sie etwas ausrichten, wüssten aber nicht, was.

    »Kümmern Sie sich«, rief der Mann in Grau. »Keine Angst, er ist außer Gefecht gesetzt. Und bitte zu mir damit.«
    Alle Schwestern bückten sich gleichzeitig, um die Leiche von Kathleen Beaufort aufzuheben.
    »Himmelherrgott, nicht die Frau!«, schrie Grant Nichtsweiter. »Der Irrwisch!«
     
    Später stand Schwester Rix in der Tür zu Suite No. 5 und blickte in das flackernde Kerzenlicht. Die Musik war ein brüllender Sturm, der mit Riesenfäusten an die Wände schlug; Onkel Charlie ein kuppelförmiger Schemen, der sich zu ihr herumdrehte.
    »Hallo, Schwester. Wie hieß der Spruch?«
    Schwester Rix spürte, wie sich ihr Mund öffnete und wie Lippen und Zunge sich ohne ihr Zutun bewegten. »Die Reinigung ist - fertig zur - Inspektion, Sir.«
    »Mann, ist das langweilig«, sagte er rundheraus und stimmte ein müdes Gelächter an. »Die verrückte Kathy restlos beseitigt, ja?«
    »Ja, Sir.«
    »Und was ist aus ihrem kleinen Liebling geworden?«
    »Abgestellt und eingelagert.«
    »Wo eingelagert?« Die Schwester sah, wie ihr der älteste Patient des Hauses wieder den Rücken zudrehte und weitermachte. »Wo haben Sie das Schätzchen hingetan, hm?«
    »In - das Tiefkühlfach von No. 19, Sir.«
    »Super«, jaulte er zufrieden. »Sie kommen jetzt rein und ziehen sich aus.«
    Der Kerzenschein tanzte auf dem Wandschmuck, den staubigen Spiegeln und ausgeschnittenen Blumen und Sternen. Wie ein dementer Cäsar saß der lebende Leichnam in seinem Hightech-Rollstuhl, das grüne Stirnband wie einen faulenden Lorbeerkranz
um die eingesunkenen Schläfen geflochten, den lappigen Hals mit Riemen und Perlen behängt. Er strich über seine Keckklaue und nickte zum Rhythmus der Musik.
    »Verrückte Kathy«, murmelte er sinnend. »Dr. Irsk …«
    Seine Schwestern taten alles, was er von ihnen verlangte. Ihre Augen waren glasig, ihr Verstand fest im Griff der implantierten Schaltkreise. Ihr schwitzendes Fleisch glänzte im gelben Licht.
    Die knochige Gestalt ihres Meisters schaukelte sanft hin und her. »Wenn wir so weitermachen«, sagte er dem Zimmer, »dann bleibt bald keiner mehr übrig …«
     
    Auch in anderen Regionen des riesigen Schiffs liefen die Dinge nicht so, wie sie sollten. Auf einem Gelände, ursprünglich für insektenähnliche Frasqui entworfen und später zu einem Vergnügungspark für Menschen umgemodelt, fühlten sich Letztere mit einem Mal nicht mehr wohl. In New Little Foxbourne wurden die Hunde immer rastloser, kläfften und standen zusammengedrängt in ihren Gehegen. Ihr Fell wurde schimmlig.
    In den Unteren Hügeln begingen die Säuglinge mit den missgebildeten Köpfen und wurzelartigen Gliedern ihren ersten Geburtstag und schmausten Tausendfüßler und Maden, schaufelweise herbeigeschafft aus den Hängenden Gärten. Die örtlichen Blutegel mit ihren berühmten psychotropen Sekreten, die trübsichtigen Eltern dieser Kinder, feierten nicht mit.

17
    Eingewickelt in eine Daunendecke stand Tabea in der Küche und trank Kaffee. Kurz zuvor erst war sie aus einem Traum erwacht. Sie waren unterwegs gewesen, um Onkel Jonas zu besuchen,
vom Meer der Heiterkeit zum Zeeman-Krater. Wieso träumte sie plötzlich von ihrer Kindheit auf Luna? Alles war so lebendig, so real gewesen: die große blaue Wasserrückgewinnungsanlage, die vielen Uniformierten auf den Rollwegen, sogar die Kratzer auf den Kunststofffenstern und die großen Wandflecken, wo man Graffiti beseitigt hatte.
    Natürlich war auch Angie vorgekommen. Sie hatte sich über irgendetwas geärgert. Tabea hatte sie schimpfen hören: »Tabby, jetzt gucken alle her!«, gerade so, wie sie es immer tat. Tabby . Niemand sonst hatte sie je so nennen dürfen.
    Aus einem unerfindlichen Grund war Sarah ebenfalls vorgekommen. Sie war sehr nett zu ihrer Ma gewesen, hatte gelacht und gescherzt, wie es gar nicht ihre Art war.
    Und schon gar nicht die von Angie. Die verschlafene Tabea bahnte sich

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