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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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einen Weg durchs schmutzige Geschirr zum Fon. Sie hatte Angst, es zu bereuen.
    Sie ließ es klingeln, dann nahm Sarahs AB an. Sie drückte die Memory-Taste und hörte die Pieptöne der abgewiesenen Nachrichten. Es warteten aber auch Nachrichten auf sie, viel zu viele, um sie abzuhören, geschweige denn zu beantworten. Die meisten würden sich irgendwann von selbst erledigen.
    Die Seraphim haben Luna übernommen. War das wirklich passiert, die alte Frau mitten auf der Straße, die ihre Arme geschwenkt hatte? Schwer zu sagen in diesen Tagen. Woher sollte die alte Frau das gewusst haben? Tabea überlegte, wen sie noch kannte auf Luna. Ihr fiel niemand ein. Onkel Jonas. Onkel Jonas und Tante - Jesus, wie hieß denn noch mal seine Frau? Tante …
    Tabea seufzte und wählte den Thalamus. »Xtaska?«, sagte sie müde. Es war nicht Xtaska, es war einer von den Adepten. »Kann mir jemand sagen, wo ich Sarah Zodiak finde?«

    Ihr Bildschirm flammte auf: der schwarz-weiße Tunnelplan einer obskuren Hirnfurche des Linken Schläfenkortex; ein Ausschnitt aus einem alten Werbespot für Zasterhain-Casinos; dann düstere, vage Freihandaufnahmen, die durch einen verwaisten Billardsaal führten.
    »Was soll das?«, fragte Tabea und wischte mit dem Handballen Staub vom LCD. »Ich brauche den ganzen Firlefanz nicht…«
    Ein weißer Pavillon mit dem Schriftzug J.M. Souviens . Die Tür. Licht hinter Mattglas.
    Es klingelte.
    Es klingelte eine ganze Weile. Dann öffnete sich die Irisblende und zeigte eine gedankenverlorene Sarah Zodiak. »Hallo?«, sagte sie; dann überrascht: »Hallo!« Ihre Stimme klang tief, kehlig, verfremdet. Hinter ihr war ein leeres Holodeck zu sehen, umringt von leeren Sitzen.
    Tabea trank ihren Kaffee. Ihr Gehirn war voller Spinnweben. »Was machst du da drin?«, fragte sie.
    Die Zeitverzögerung war nervtötend. »Es ist so schwer« , sagte die Gauklerin, »ohne richtiges Quellenmaterial.«
    Tabea war irritiert. Ihr war schon klar, dass Sarah jetzt kein Ohr für ihren Traum hatte.
    »Sie verwandeln sich ständig ineinander.«
    Sarah ließ wohl von allen Holos machen: ihren sogenannten Brüdern und Schwestern; dem ganzen Clan. Sie war immer schon verrückt gewesen, morbid. »Woher willst du das wissen?«, fragte Tabea eine Spur aggressiver, als sie es meinte; dann besänftigend: »Na ja, du weißt es eben. Musst du das machen? Ich meine, musst du jetzt da unten sein?«
    Ich muss unbedingt mit dir reden , wollte sie noch sagen; doch Sarah redete schon. Entweder kam das, was sie sagte, nicht durch, oder Sarah hörte nicht zu, was gut möglich war. Sarah
Zodiak redete lieber mit den Toten. Die schmale Gestalt auf dem Schirm strich sich das Haar aus der hohen, weißen Stirn. »Die differenzierenden Wellenfunktionen kollabieren immer wieder zu ein und derselben« , sagte sie.
    Am unteren Bildschirmrand rasselte von rechts eine Textzeile herein. Brücke: Guten Morgen, Käpt’n. 10:45.50 Uhr. Corpus-Interface-Unterweisung Phase 3 hat begonnen.
    Das war Zoe, die sie zur Brücke rief. Tabea ignorierte sie. Sarah redete immer noch, leise, resigniert. Ärger überfiel Tabea und schlug sofort in Verzweiflung um.
    »Ach, Quatsch, macht nichts«, sagte sie und kappte die Verbindung.
    Dann dachte sie: Ich hätte einfach sagen können »Hör zu, ich brauche dich«, und abwarten können, was sie sagt. Nein, Mademoiselle ist beschäftigt! Gammelt in einem saublöden Souviens-Laden herum.
    »Es war nur ein blöder Traum«, sagte sie laut.
     
    Ein menschlicher Sperrgut-Auslieferer im orangefarbenen Overall bugsierte eine große Hoverpalette in den Längsfurchen - Lift. Auf der Palette stand ein in Folie geschweißter Game-Pod. Im Lift blieb kaum noch Platz. Der dicke junge Mann, ein Mitglied der Besatzung, musste klettern, sonst hätte er nicht mitgekonnt.
    Der Lift zog an. Der Auslieferer lauschte der gedämpften, gehetzten Musik, die aus den Rillen drang. Sein Mitfahrer starrte ins Unendliche, sein Mund stand offen, vielleicht ein Programmierer, der an einem Problem knobelte. Er trug ein graugewaschenes T-Shirt mit Totenschädeln und Messern darauf und Bluejeans mit knietiefem Schritt. Ein Terminaljokey von der Brücke, ein Blob, wie viele sie nannten - die Abkürzung für Binary Large Object.

    Der Terminaljockey zeigte mit dem Kinn auf den Game-Pod. »Ein Ganzkörpermodell?«, fragte er mit hoher, nasaler Stimme.
    Der Auslieferer bejahte. »Spezialauftrag«, erklärte er. »Speziell auf sie zugeschnitten.«
    Der Konsolenjockey

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