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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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schabte sich die breite, linke Brust. Auf dem weich gepolsterten Handrücken standen rote Ziffern. »Für wen?«, fragte er.
    Der Auslieferer grinste respektvoll. »Sie dürften sie gut kennen«, sagte er. »Käpt’n Jute. Ich liefere nur aus.«
    Die höhnische Grimasse, die der blasshäutige Konsolenjockey zog, jagte dem Auslieferer einen gehörigen Schrecken ein.
    »Stecken Sie sie rein und schweißen Sie den Deckel zu«, sagte der Blob abweisend. »Das sollten Sie tun.« Er lächelte geziert, als erwarte er Zustimmung und Schadenfreude. Der Auslieferer war perplex, dass sich ein Besatzungsmitglied in seiner Gegenwart derart abfällig über Käpt’n Jute äußerte, zumal er dem Blob nicht die geringste Vorlage gegeben hatte. War das eine Art höherer Witz? Wie sollte er reagieren?
    »Sie ist sehr beliebt«, sagte er verzweifelt.
    »Sie geht einem gründlich auf die Eier«, sagte der Blob und furzte als Zugabe. Immer noch grinsend kletterte er über die Ecke der aufliegenden Palette zur Tür. »’schuldigung, ich muss hier raus.«
     
    Nachts, durch die Liftschächte und die vertikalen Straßen der Scheitelregion, trieben von tief unten die seltsamsten Sachen herauf. Kleine, dünne Zweige von fernen Planeten, manche noch mit blanken Beeren daran; riesige, tote Nachtfalter mit pelzigen Flügeln, gemustert wie türkische Teppiche; herausgerissene Magazinseiten mit Bildern unbekannter Persönlichkeiten
und mit ausgefeilten Grafiken rätselhafter Apparate. Gefangen in Ecken und Türschwellen lag das Treibgut herum wie Rückstände aus den Traumkavernen, die ein unmerklicher Passat herbeigeweht hatte.
    Jedes Detail wurde von den Sensoren und Monitoren des Thalamus erfasst. Zusätzlich zu den Impulsen aus der analogen Siliziumschicht in jedem erschlossenen Bereich - Impulse, die minutiös registriert, gefiltert, klassifiziert und in die Brücke gespeist wurden - hatte man die Anzahl der Kameras für Verkehr und Sicherheit inzwischen verdoppelt. In der murmelnden Luft unter den lachsfarbenen Gewölben des Schiffsgedächtnisses schwamm Xtaska der Cherub wie eine riesige, glasierte Kaulquappe auf und ab; die Displays auf dem Hoverteller flackerten, während Xtaska das Material abtastete und Proben nahm.
    Dieser Schirm zeigte einen Schwarm weißer Schmetterlinge, die zwischen den Farnen in einem Luftschacht taumelten; der nächste eine schwankende Ansammlung von Behausungen, wo missgebildete Kinder schrien und ein zerlumpter Mann etwas in einem Kessel kochte. Der Schirm, den Larry beobachtete, kreiste durch Höhenraster mit rasch wechselnden numerischen Angaben, bevor er übergangslos an einer Fassade der New-Foxbourne-Straße emporkroch. Hinter dem Fenster eines geräumigen Apartments waren zwei Frauen zu sehen, die vor einem AV-Schirm saßen und aus kleinen Tassen tranken.
    Es war nicht Larrys Aufgabe, Leute auszuspionieren, aber man konnte auf diese Weise eine Menge lernen. Larry rief die Personendaten ab. Eine Sekunde später sprangen die Daten ins Bild: Namen; Fon; Adresse; Daten über die Sendung, die sie sich gerade ansahen. Larry wischte die Daten beiseite und zoomte ins Fenster.

    »Käpt’n Jute sollte etwas unternehmen«, sagte Frau Shoe.
    »Natürlich sollte sie das«, sagte Frau Overhead.
    Das Problem war, dass Natalie Shoes Mann verschwunden war. Natalie war mitten in der Nacht aufgewacht, als ihr Mann, ansonsten fertig angezogen, sich die Schuhe schnürte. Er schien hellwach zu sein, allerdings ziemlich erregt. Er sagte nur, er hätte eine Bewegung gesehen, er sagte nicht, was sich bewegt hatte, oder wo er die Bewegung gesehen hatte, und war mit Gewehr und Videokamera in die Nacht hinaus. Das war vor drei Nächten gewesen. Die Rotmützen hatten nach ihm gesucht, aber nur seinen Hut und das Gewehr gefunden, mit dem nicht geschossen worden war.
    War es diese infame Geheimnisvolle gewesen? Hatte sie sich aufs Entführen oder auf Schlimmeres verlegt? Es war niemandem entgangen, dass außer dem Mann auch die Videokamera verschwunden war.
    »Käpt’n Jute gehört zu den Frauen, die ganz froh wären, wenn alle Männer über Bord gingen«, sagte Frau Shoe selbstgefällig.
    Laura Overhead schenkte Tee nach. »Du kannst Käpt’n Jute nicht leiden«, sagte sie zu ihrer Freundin, »weil sie die Marco-Metz-Show abgesetzt hat.« Ihre Wimpern senkten sich um eine sinnliche Kleinigkeit, als sie den Namen des beliebtesten Entertainers in New Little Foxbourne aussprach.
    »Das hat nichts damit zu tun, Laura«, erwiderte

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