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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Natalie Shoe. »Sie ist eine Bedrohung, die man wegsperren sollte. Sie hat überhaupt keinen Anspruch auf das Schiff. Wir bräuchten einen richtigen Käpt’n. Marge wäre ein besserer Käpt’n als sie.«
    Auf Frau Overheads AV-Schirm lief Kanal 10 mit Ugly Truth - Die nackte Wahrheit . Ein fröhlicher Showmaster präsentierte Videoclips von Prominenten in kompromittierenden oder absurden Situationen. Ein beliebtes Exponat war Käpt’n Jute,
die des Öfteren aufgenommen worden war, wie sie in Yoshiwara halb angezogen herumgetaumelt oder auf der Brücke eingedöst war. Die Frauen lachten grimmig und erbarmungslos.
    Nach Ugly Truth schaltete Frau Overhead auf Kanal 9 um für den Fall, dass es Neuigkeiten von der Expedition gab; aber mehr als die ewig wiederholte Entschuldigung war nicht zu hören. Frauke Thorwald lächelte strahlend und verlas ein angebliches Bulletin von Professor Xavier, dem zufolge man zurzeit den Supramarginalen Dschungel durchquerte und alles erwartungsgemäß verlief. Inzwischen bedaure Kanal 9, wegen technischer Schwierigkeiten das neueste Material von Geneva McCann nicht zeigen zu können.
     
    Ein kleines zynisches Stakkato von Zungen-Gaumen-Geräuschen. Larry kannte diese Schwierigkeiten: Man sah nur noch dunkle Schemen und langsam flackernde Helligkeit. Beschleunigte man, ging zu viel Information verloren, und versuchte man die Information zu optimieren, konnte man nicht mehr zwischen Information und Algorithmus unterscheiden.
    An der Expedition nahmen auch gute Freunde von ihm teil. Sie gehörten zur Xtaki Kru. »Die laufen in eine verdammte Zeitstörung hinein, wenn es dich interessiert«, sagte Larry zu dem arglosen Bildschirm.
    »Halt dich bedeckt«, meinte jemand im nächsten Gang. »Kanal 9 darf so was nicht senden.«
    »He, Xtaska«, sagte Larry. »Hast du die Typen unter Druck gesetzt?«
    »Es gibt keinen Grund, die Passagiere zu beunruhigen«, sagte der Cherub im Überflug. Die Luft war feucht. Die Pumpe keuchte, nach wie vor sickerte hier Wasser ein.
    Larrys Finger trommelten ein Arpeggio. »Ich finde trotzdem,
wir sollten den Käpt’n informieren«, sagte er. Persönlich hatte sie sich noch nie hierher bemüht, aber neulich zweimal online: Sie hatte sich beklagt und Forderungen gestellt. Konnte sein, dass sie sie nicht zu schätzen wusste, aber sie war immer noch der Käpt’n.
    Frau Overheads AV-Schirm wiederholte inzwischen die Ansage von Kanal 9. Schläfrig hoben Frau Overhead und Frau Shoe ihre Tässchen an die Lippen. »Was trinken die da?«, fragte Larry, als der Bildschirm umschaltete. »Kaffee ist das nicht.«
     
    Jetzt blickte er in eine große Höhle, die nur von Farbglaslampen erhellt wurde. Maison Zouagou, das Tabernakel der Träume.
    Von der Decke hingen lange Banner, die übersät waren mit Sprüchen und Bildern: Gestalten aus der Bibel, Cartoonbilder von wilden Tieren, Videostars aus alten Zeiten. Larry wanderte zum Altar, wo drei Kunststofffiguren verschiedener Größe ein Dreieck bildeten: vorne links die Jungfrau Maria, hinten ein fetter weißer Mann im weißen mit Fransen besetzten Anzug und vorne rechts, größer als die anderen, ein capellanischer Bruder in seiner Toga.
    Da war Pater Le Coq, der Hahn, in seinem drapierten Jackett und seiner gestickten Weste, und schwang seinen rubinrot lackierten Rohrstock. Larry schwenkte um 180° und besah sich die Gemeinde. Das Übliche: Menschen und Altairer, herausgeputzt mit Federn und Armspangen, billigen Jacketts und engen Lurexröcken. Auch ein paar palernische Quintette. Alle riefen andauernd etwas, lobten den einen oder anderen Herrn und schickten kurze schrille Kreischer an die bunte Decke.
    Der Hahn predigte über all das, was sie verloren hatten. »Meine Brüder und Schwestern, seht aus dem Fenster. Was seht ihr? Seht ihr etwa die schöne Erde in ihrem gottgegebenen Gewand?«

    »Nein«, riefen sie. »Nein, nein, nein!«
    »Was seht ihr stattdessen?«, fragte er sie und ließ sie eine Weile durcheinanderrufen, bevor er mit Donnerstimme fortfuhr: »Ich sage euch, was ihr seht. Ihr seht nichts! Ihr seht in das Gesicht des großen Abgrunds, vor dem der Herr euch gewarnt hat. Ihr seht in die Äußere Finsternis von Sünde und Irrtum!«
    »Oh, beschütze uns, Bruder Felix, Bruder Ezechiel!«, schrie eine Frau ganz hinten, wobei sie sich tief verbeugte, die Ellbogen an der Taille, die schrundigen Hände abgestreckt wie rudimentäre Flügel.
    Le Coq triumphierte. Seine mit Juwelen besetzten Knöpfe blitzten im

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