Sonntag bis Mittwoch
Schnurren.
Jenny grinste. »Kommt's dir jetzt schon beim Zuschauen? Na, von mir aus!«
Ich schaute weiter. Und empfand nichts außer einem Bedauern, jemals etwas empfunden zu haben.
»Wenn du willst, Mann, ich weiß schon, wie dir zu helfen ist!«
Ich wandte mich ab, und ihr Gelächter schallte mir nach, als ich die Treppe hinunterstieg. »Sonst kannst du nichts mehr, Liebling? Nur gucken?«
Aber ihre Worte wirkten nicht. Ich spürte nicht die leiseste Erregung. Und wußte, daß ich sie nie wieder für jemand anderen außer Lydia empfinden würde. Falls ich Lydia jemals wiedersah und falls –
»Ich hörte etwas im Schrank –« sie mußte mir auf die Galerie gefolgt sein – »und hielt es für eine Maus. Aber Cheetah muß mich gerochen haben, denn er miaute. Nicht wahr, Cheetah?«
Aber ich hörte nicht mehr zu. Ich starrte Lydias Porträt an. Jemand hatte ihr einen dicken, schwarzen Schnurrbart auf die Oberlippe geschmiert und ihr glattes, helles Haar schwarz angemalt. Noch mehr Verschandelung. Noch mehr mutwillige und sinnlose Zerstörung.
»Du hast Cheetah heraufgebracht, nicht? Setz dich, Baby, nur einen Augenblick.« Ihre Stimme klang gedämpft aus dem Schlafzimmer. »Du hast ihn Sam gestohlen und wolltest Wilby damit reizen.« Sie kicherte. »Ich wünschte nur, er hätte ihn gefunden. Da hätte ich gern sein Gesicht gesehen!« Sie mußte wieder auf die Galerie getreten sein und bemerkt haben, daß ich das Porträt anstarrte. »Gefällt's dir? Nicht übel. Ganz ohne Malunterricht. Hab' aber mal Modell gestanden.« Sie kicherte wieder. »Hab' mich dabei erkältet.«
Ich drehte mich zu ihr um. Sie glitt mit schlangenartigen Bewegungen in ein hauchdünnes Kleid.
Mein Ärger hielt sich in Grenzen. Schließlich handelte es sich nur um ein Abbild Lydias.
Bisher war Lydia selbst gottlob nichts passiert.
»Wo ist Wilby?«
Sie lehnte sich vor, die nackten Ellbogen auf dem Geländer, den Kopf in die Hände gestützt, die Augen übermütig. »Frag nicht mich. Vielleicht in der Hölle. Hoffentlich bleibt er dort, nicht wahr?« Sogar ihr Ton hatte sich verändert: fröhlich, ohne persönliche Gehässigkeit oder Bitterkeit.
Ich tue doch alles für dich. Alles! Nur für dich.
Ich ging in die Diele, kniete mich hin und riß mit beiden Händen das Packpapier von dem Gemälde.
Als ich die Hülle entfernt hatte, trug ich das Bild ins Wohnzimmer und stellte es auf den Cocktailtisch mit dem Gesicht zur Galerie: eine weibliche Gestalt, ein Eingeborenenmädchen in schimmernden Brauntönen, nackt von der Taille aufwärts, polynesische oder tahitische Züge, und im Hintergrund die Andeutung eines Berges oder feuergekrönten Vulkans.
»Was ist denn das für ein häßliches Ding?« fragte Jenny.
»Dieses häßliche Ding«, erwiderte ich, »ist ein Originalgemälde von Gauguin, glaube ich.«
Sie betrachtete es. »Ich, ich hab nen besseren Busen als die.«
Ich schaute mir das Bild an. Das Gesicht des Mädchens war wenig attraktiv, ihre Brüste waren nicht hübsch – aber das Bild als Ganzes war wunderschön. Warum und wie hätte ich nicht erklären können, und ich fragte mich, ob ich dies vor einigen Tagen gespürt hätte oder diese Unterscheidung hätte machen können.
»Nicht wahr, Liebling? Mein Busen ist besser, was?«
»Jenny«, sagte ich, »es ist hundertzwanzigtausend Dollar wert.«
Sie pfiff anerkennend. »Das is 'ne Menge Pinke, Mann.«
… Jenny schwärmt von der Riviera, und da kommt sie auch hin. Riviera, Kleider, Männer – alles, was sie haben will!
»Einhundertzwanzigtausend Dollar, und alles für dich, Jenny.«
»Alles für mich?« Ihre Stimme klang ehrfürchtig und erschrocken. »Und wo du hinwillst –«
»Cheetah-Baby, hast du das gehört? Ich kann hin, wo ich will!« Der Spott war unverkennbar. »Mit Wilby? Mit Wilby, Liebling? Oh, du Mistvieh, oh, du gräßlicher alter Kerl, du steckst voll Überraschungen, immer wieder neue! Aber dich haben sie schwer an der Nase herumgeführt! Mann, bist du gelackmeiert!« Sie lachte. »Weißt du, was hundertzwanzigtausend Dollar sind, Mann?« Das Gelächter erstarb, und ihre Augen wurden schmal, strahlten aber noch immer ihre Erregung aus. »Das ist … Hühnerfutter. Das is 'n Klacks, Liebling. Sam ist reich. Er stinkt vor Geld. Na, Mann, mein Sam hat so viel Kies, daß er nicht mal zu arbeiten braucht, wenn er nicht will. Und jetzt will er nicht! Er wird mir Französisch beibringen, und dann fahren wir an die Riviera!« Nun kam es also heraus.
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