Sonntag bis Mittwoch
gelassen, ausgestopft und überlegen. »… Bestätigung, Verkaufsbescheinigung und Versicherung. Sie verstehen, daß diese Versicherung nur Schäden durch natürliche Ursachen und Mißgeschicke deckt. Feuer und natürlich Sturm. Nicht Diebstahl oder, nun … andere Beschädigungen. Aber Mr. Smith wird sehr sorgfältig darauf achten. Er wollte es in Papier eingepackt haben, nicht in einer Holzkiste.« Mr. Neuenburg war damit nicht einverstanden. »Normalerweise übernehme ich den Transport, bewacht natürlich – aber in diesem Fall … Er ist wirklich ein entzückender Junge, Ihr Mr. Smith, und kann sich glücklich preisen, einen so großzügigen … Freund gefunden zu haben.«
Ich mußte fast lachen. Wieder einer von Wilbys reizenden Witzen und mutwilligen Grausamkeiten. Was für einen Spaß bereitete ihm die Vorstellung, ich würde die Beziehung abzuleugnen versuchen, auf die er so subtil und leichtfertig von Mr. Neuenberg angespielt hatte. Welche Genugtuung, sich meine Scham, meine zwecklosen, gestotterten Proteste und Erklärungen auszumalen.
»Mr. Smith«, entgegnete ich, »ist ein Typ, der das Herz eines jeden heißblütigen Amerikaners höher schlagen läßt.«
Mr. Neuenbergs Brauen hoben sich zu einer kerzengeraden Linie, und er verlor ein wenig seine buddhistische Fassung. »Das kann man sicher sagen.« Er räusperte sich. »Haben Sie den Scheck?«
»Würde ich wohl ohne Pinke herkommen?«
Blinzelnd streckte Mr. Neuenberg seine schwammige Hand aus, nahm den Scheck entgegen, betrachtete ihn und drehte ihn um. »Ja.« Dann wurde er vor lauter Erleichterung redselig. »Nun, damit ist die Transaktion ja beendet, nicht wahr? Es ist immer ein besonderes Vergnügen, ein Meisterwerk an jemand zu verkaufen, der es wegen der künstlerischen Qualität und nicht wegen des materiellen Wertes zu schätzen weiß.«
Ich erhob mich. »Es ist immer ein besonderes Vergnügen, einhundertzwanzigtausend Dollar an jemand zu bezahlen, der den materiellen Wert über die künstlerische Aussage stellt.«
Mr. Neuenbergs Hände sanken herab. Er zuckte die Achseln. »Einen Augenblick, bitte.« Er verschwand kurz in einem Hinterzimmer oder Allerheiligsten und kam ehrfürchtig mit einem Paket zurück.
Das erste Taxi, das ich herbeiwinkte, war leer und hatte eine Klimaanlage. Glück. Das werde ich auch brauchen. Ich nannte die Adresse und lehnte mich zurück, das eingepackte Gemälde neben mir auf dem Rücksitz.
»Was haben Sie denn da Schönes?« erkundigte sich der Fahrer. »Haben Sie so ein Ding gekauft? Ich frag' mich schon lange, ob überhaupt jemand dieses Zeug kauft.«
»Ich habe es nicht gekauft«, antwortete ich. »Ich habe es selbst gemalt.«
»Ach? Sind Sie auch so 'n Künstler?«
»Nein«, sagte ich. »Ich bin auch so 'n Verrückter.«
»Mir bleibt nichts erspart.« Er fuhr weiter.
Nach einer Weile fragte er: »Wieviel ist es denn wert, ohne Schmus?«
»Einhundertzwanzigtausend.«
»Dollar?«
»Dollar.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hab' mir den falschen Beruf ausgesucht.«
»Wer hat das nicht? Aber Sie haben wenigstens zwei Ohren.«
Als der Wagen an einer Ampel halten mußte, drehte der Fahrer seinen roten, runden Kopf nach hinten und betrachtete mich eingehend. »Wenn ich mir mal was Gutes tun will, dann kauf' ich mir vielleicht ein Tweedjackett, das ich mir nicht leisten kann, aber Sie gehen aufs Ganze, was?«
»Ja, wenn schon, denn schon.«
Aber ich dachte nicht nur an das Geld. Für mich stand alles auf dem Spiel – auf mysteriöse Weise hatte ich inzwischen den Wendepunkt überschritten. Mit welchem Ziel? Du weißt nicht, wer du bist. Niemand weiß es. Stimmt, Wilby, weil niemand unwandelbar und leicht zu ergründen ist. Wir befinden uns alle in einem Entwicklungsstadium – das Leben heißt. Und was aus mir wird, hängt davon ab, was ich bewußt oder unbewußt zu werden beabsichtige. Falls mir die ironische Natur der Dinge weitere Tage oder Jahre zur Weiterentwicklung zugesteht, liegt ein immenses und phantastisches Glück in Reichweite, neben dem die gewaltigste Geldsumme verblaßt. Zum Teufel, Wilby, jeder kann Geld verdienen. Du wolltest mich an meinem Lebensnerv treffen, aber ich bin darüber hinaus. Diesmal geht der Witz auf deine Kosten.
Das Taxi fuhr an Pat's Pub vorbei. Mir fielen die einsamen Männer an der Theke wieder ein, die junge Frau in Shorts und die Witze und Prahlereien mit sexuellen Eroberungen – als versetzten sie die sommerliche Strohwitwerschaft automatisch wieder
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