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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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Anscheinend hast du es vergessen – sonst würdest du nicht auf ein solches Klischee verfallen. Wenn dir allerdings was dazwischengekommen ist –«
    »Natürlich nicht«, sagte ich in einer schwer zu definierenden Gefühlsaufwallung. »Ich freue mich, daß du da bist.«
    Als ich zur Tür schritt, hängte sie sich bei mir ein, lächelnd und wieder vergnügt. »Machen wir, daß wir hier herauskommen, ehe ich erfriere. Auf dem Land brate ich, und hier –«
    »Die verdammte Klimaanlage ist kaputt«, erwiderte ich.
    Aber als wir an Phoebe vorbeigingen, mischte sie sich ein: »Der Mechaniker hat sie kontrolliert, Mr. Wyatt. Er sagt, sie ist in Ordnung. Auf Wiedersehen, Mrs. Spangler.«
    »Auf Wiedersehen –« entgegnete Anne, und ich hörte einen merkwürdigen, fast fragenden Unterton heraus.
    Im Aufzug sagte Anne: »Ich war einkaufen, aber das, was mir gefiel, konnte ich mir nicht leisten.«
    Annes Offenheit hatte mich schon immer in Erstaunen versetzt; besonders in der Öffentlichkeit. Sie hatte Lydias Aufrichtigkeit geerbt, aber nicht deren Sinn für Proportionen und für das Passende.
    Als wir auf der Straße standen, erkundigte ich mich: »Was war es denn, was du dir nicht leisten konntest?« Mir war schon wohler in meiner Haut: Anne übte immer diese Wirkung auf mich aus. Eine kurze Weile konnte vielleicht alles so sein wie immer: heiter und freundlich, in einer gelösten Atmosphäre.
    »Nein, das kann ich dir nicht sagen, Daddy. Du kaufst es bloß, und dann macht mir Glenn eine Szene, und es ist doch zum Streiten viel zu heiß. Du rauchst ja wieder.«
    »Sieht so aus, was?«
    »Gestern hast du noch nicht geraucht.«
    »Schau, Anne«, sagte ich, und es klang irritiert, »das ist doch wohl kein Verbrechen. Und was kann Glenn dagegen haben, daß ich dir etwas kaufe, was ich bezahlen kann?«
    »Daß er selber es nicht kann. Ich will dich nicht ausnützen, das wirft Glenn mir nämlich vor, aber nur, wenn wir uns zanken. Hast du mit Mutter nicht auch im ersten Jahr manchmal Krach gehabt?«
    Sofort kam mir eine Zeit in den Sinn, an die ich nicht denken wollte, nicht zu denken wagte! London. Der Krieg. Lydia.
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    In der Schroffheit lag eine Zurechtweisung, und ich spürte, wie Anne zurückzuckte. So war sie schon als Kind gewesen, so empfindlich, daß sie den leisesten Vorwurf als Schlag empfand und sich zurückzog, worauf Lydia und ich uns immer schuldig vorkamen. Die Enthüllung, Glenn betreffend, überraschte mich nicht sonderlich: Anne hatte einfach zu jung geheiratet. Und Glenn mit seinem ewigen jungenhaften Strahlen war ja selbst noch ein Kind – wie sollte er richtig für sie sorgen? Als ich mit ihr am Arm durch die geschäftigen Straßen spazierte, erkannte ich, daß diese Gedanken oder Befürchtungen bis jetzt in meinem Unterbewußtsein geschlummert hatten. Warum traten sie ausgerechnet heute an die Oberfläche?
    Das Restaurant war überfüllt und laut. Und ich hatte keinen Tisch bestellt.
    »Nur einen Augenblick, Mr. Wyatt«, sagte der Oberkellner und konsultierte erstaunt seine Liste, während Anne meinen Arm losließ. »Du hast es wirklich vergessen, nicht wahr?«
    Diesmal klang es vorwurfsvoll, gekränkt. Ich begriff plötzlich, daß mein Verhältnis zu Anne immer etwas Werbendes gehabt hatte. Ödipus. Das stimmte nicht, verdammt! Dieser krankhafte, sadistische Lump sah alles nur durch seine verzerrende Brille.
    Wir bahnten uns einen Weg durch die wartenden Gäste und folgten dem Maitre d'hotel zu einem Ecktisch. Als wir einander gegenübersaßen und ich für mich einen Scotch und für sie einen Daiquiri bestellt hatte, wechselte ihre Stimmung wieder. Sie schüttelte offensichtlich das Gefühl, nicht richtig gewürdigt zu werden, ab und war so munter wie immer. Sie erzählte mir von ihrer Begegnung mit einer Verkehrsstreife und kicherte geradezu, als die Getränke serviert wurden. Wir prosteten einander zu, und ich nahm einen tiefen Schluck, der mich wieder aufmöbelte. Ich fühlte mich schon wieder besser und mehr wie ein normaler Mensch.
    »Ich wette«, sagte Anne nach einem Blick durch das Lokal, »hier hält mich niemand für deine Tochter. Ich meine, du siehst so jung aus und – sag mal, hast du einen Kater? Gestern am Telephon hast du auch ein bißchen angeheitert geklungen. Ich habe dich noch nie so gesehen.« Sie beugte sich über den Tisch. »Was denken wohl die Leute? Daß ich deine –«
    »Es ist mir scheißegal, was diese Leute denken!« Sie lehnte sich

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