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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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noch entrüstet. »Aber wir haben nichts getan!«
    »Nötigung. Fünf bis zehn Jahre.«
    Sie trat näher. »Sam … das würdest du mir nicht antun …«
    Ich lachte knurrend auf. Das war wirklich die Höhe … ihre Entrüstung, ihr Appell an meine Ritterlichkeit.
    »Laßt euch einsalzen!« Wilby schob mich grob beiseite und baute sich mit dem Rücken zu mir vor Jenny auf. »Nein, Baby, er tut nichts dergleichen. Und ich sag' dir auch warum. Weil wir nämlich jetzt Pinke haben und uns so 'nen Winkeladvokaten kaufen können. Ohne Pinke biste aufgeschmissen, oder reif für den Stuhl.« Er machte wirbelnd auf dem Absatz kehrt, mit verkrampften Schultern, blitzenden Brillengläsern und wehendem Bart. »Haste schon mal von 'nem reichen Knilch gehört, der auf dem elektrischen Stuhl landet, hm? Na, red schon. Nicht in tausend Jahren, Mann, weil sich die jemand leisten können, der sie 'rauspaukt, kapito, Alter? Kapito?«
    Darin lag, wie in fast allem, was er sagte, eine Verzerrung von Wirklichkeit und Wahrheit; gleichzeitig zeugte es aber auch, wie fast alles, was er sagte, von bitterer, scharfer Beobachtung. Trotzdem fühlte ich mich bemüßigt zu antworten.
    »Gerechtigkeit, Mensch. Du verdrehst die Wahrheit für deine Zwecke, ich verdrehe die Wahrheit für meine Zwecke – das ergibt Gerechtigkeit. Das Flammenschwert. Quatsch.«
    »Aber Wilby«, sagte Jenny, »bist du sicher? Du hast versprochen, daß nichts …«
    Doch Wilby war nicht mehr aufzuhalten. Er wandte sich fahrig ab, strich an Jenny vorbei in den Wohnraum, warf das Buch auf den Boden. »Genau wie bei den verfluchten Ärzten. Haste Geld, dann retten sie dein Leben! Sonst kannste verrecken. Das menschliche Leben ist kostbar. Kostet 'ne Menge. Hypokritischer Eid!«
    Jenny runzelte hilflos die Stirn. In ihrem Blick lag noch immer Furcht – nur wußte ich jetzt nicht, ob sie meinen Drohungen oder Wilbys düsterer, gefährlicher Stimmung galt.
    Im Wohnzimmer goß er sich Whisky in sein Old-fashioned-Glas, wobei er mit der Flasche an den Glasrand stieß. »Mach weiter, Paps. Probier's nur.« Ein gewisser hintergründiger Triumph klang nun aus seinem Ton. »Ich hoffe, daß du's versuchst! Weil nämlich die Gerichtsverhandlung 'ne wahre Hölle wird. Du weißt doch, wie scharf die Leute auf Verbrechen sind, alle Leute. Romantisch, Mensch! Die Verhandlung macht die Titelseiten. Vielleicht rasier' ich mich sogar dafür. Diese ignoranten Hunde von Geschworenen bilden sich ein, nur Schwule hätten Bärte, und das sollen sie doch nicht von deinem Mann denken, was, Jenny?« Als Jenny das Wohnzimmer betrat, lachte er höhnisch. »Baby, du hast mich auf der Bühne gesehen. Du weißt, wie ich das hinkriege!«
    Ich stand neben Jenny im Türrahmen, als sie skeptisch erwiderte: »Na ja. Das letzte Mal haben sie dich in die Klapsmühle geschickt.«
    Ich horchte auf.
    »Niemand hat mich irgendwohin geschickt!« brüllte Wilby, und seine Wut war unverhüllt, direkt. »Niemand wird mich jemals irgendwohin schicken! Halt dich hier 'raus. Das geht nur deinen Beschäler an und mich.«
    »Tja, aber …«
    Wilby setzte sich mit weitgreifenden Schritten in Bewegung und schlug ihr mit einer Bewegung, der ich kaum folgen konnte, ins Gesicht – mit der flachen Hand, daß das Klatschen durch den Raum schallte. Jennys Kopf schnappte zurück, sie stolperte blinzelnd und benommen zur Seite, und dann erschlafften ihre Gesichtszüge. Der weiße Abdruck von Wilbys Hand verfärbte sich zu einem flammenden Rot. Ich sah keinen Grund dazwischenzutreten. Die Gewalttätigkeit löste – obgleich ich mich innerlich gegen ein solches Zugeständnis wehrte – möglicherweise gar ein wenig die in mir aufgestaute Spannung. Doch nur für einen Moment. Als ich Jenny auf das Sofa sinken sah, nicht weinend, wenn ihr auch die Tränen in die Augen stiegen, sondern wie ein verwundetes Tier klagend, kam in mir eine leise Regung von Mitleid auf. Ich unterdrückte sie aber, als ich Wilby mit locker hängenden Armen und sprungbereit wie einen Preisboxer auf mich zukommen sah.
    »Nun, Sam?« Er hatte Blut geleckt und dürstete nach mehr.
    Als ich nicht antwortete – diese Befriedigung gönnte ich ihm nicht, auch wenn sich meine Muskeln gegen einen möglichen Angriff strafften –, fuhr er fort. »Probier's nicht noch mal, Paps. Kapito? Jenny wird nichts passieren. Dräng dich bloß nicht zwischen uns. Kapito?«
    Es war merkwürdig, ihm ohne Angst oder Wut, auf die ich förmlich wartete, gegenüberzustehen.

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