Sonntag bis Mittwoch
sagte: »Wenn du doch nichts essen willst, können wir ebensogut gehen.« Hinter seinem Ärger verbarg sich Fassungslosigkeit. Dann erkundigte er sich in einem gewollt leichten Ton: »Übrigens, mit was für Nachforschungen hast du eigentlich Lee heute beauftragt? Der Name, den er mir nannte, war mir fremd.«
Abrupt stand ich auf, daß das Geschirr klirrte.
»Das geht dich nichts an«, entgegnete ich gefährlich leise. »Ich weiß über dich Bescheid. Über dich und Lydia.«
Henry runzelte die Stirn, und sein Blick wurde wieder lauernd. »Lydia?«
»Mach mir nichts vor«, sagte ich und wußte, daß ich die Wahrheit aussprach. »Du liebst Lydia schon seit Jahren. Seit eurer ersten Begegnung, schon ehe sie mich kennenlernte. Wem willst du Sand in die Augen streuen? Glaubst du, mir ist nicht klar, woher das ganze Interesse stammt? Du kannst es nicht abwarten, Lydia Bescheid zu sagen!«
»Worüber?«
»Das möchtest du wohl gern erfahren, was?« Ich beugte mich über den Tisch, auf die Fäuste gestemmt, und hörte wie ein Außenstehender meine nächsten Worte: »Wenn du Lydia anrufst, dann breche ich dir jeden Knochen im Leib, kapito?«
Sein Gesicht wurde zornrot. Unwillkürlich wollte er aufstehen, und ich wußte – innerlich eiskalt, gespannt und sprungbereit –, daß ich dann auf ihn einschlagen würde. Ich mußte um mich schlagen, irgendwen treffen!
Doch – weil er dies spürte oder seine Selbstbeherrschung wiederfand – er sank langsam zurück, kopfschüttelnd.
»Arnold Wilder, Adam. Bitte, mir zuliebe.«
Aber ich wandte mich ab und ließ ihn sitzen. Ich merkte, wie er mich mit Blicken verfolgte. Die Schwäche war überwunden. Ich schritt auf die Tür zu, am Oberkellner mit seinem devoten, beschwichtigenden Lächeln vorbei, auf die Straße hinaus.
Mit zügigen Schritten ging ich auf dem überfüllten Bürgersteig entlang. Jetzt war alles sonnenklar – auch, warum ich mich Henry nicht anvertraut hatte. Auf irgendeiner dunklen Bewußtseinsebene mußte ich es schon lange gewußt haben, ein Wissen, das zuzugeben ich mich gesträubt hatte.
Oder projizierte ich nur meine eigene Frustration und Verwirrung und Qual – Schuld, gestehe es, nenn es beim Namen, Schuld! – auf andere? Nach Wilbys Methode!
Reiß dich zusammen. So schlimm kann es mit dir noch nicht stehen! »Mr. Wyatt!«
Es war Phoebe. Auf der Straße. Mit entsetztem Blick.
»Hier, nehmen Sie meinen Arm, Mr. Wyatt. Ich bringe Sie ins –«
Neugierige Gesichter. Feindselig. Grinsend. Genau wie in der Hauptstraße von Fort Perry, als ich Vater helfen, ihn nach Hause führen wollte –
»Oben wird es Ihnen gleich besser. Die Hitze!«
Ich riß mich los, stolperte, blieb schwankend mit weichen Knien stehen. Als ob ich nicht wüßte, was sie vorhatte! Weißt du denn nicht, daß Phoebe dich liebt? Liebe, Quatsch. Begierde. Darauf verstand ich mich langsam: Begierde.
Mit zitternden Beinen stelzte ich weiter. Auf die vertraute Drehtür zu, hindurch, während mir Phoebes fassungsloses Gesicht vorschwebte. In den Aufzug.
Da war er schon wieder. Betrat die Kabine nach mir: Mähne bis über die Ohren, Backenbart, schmutzige Mokassins, ohne Krawatte. Er hatte mich heute früh in den Aufzug verfolgt. Hinter halbgeschlossenen Lidern starrte er vor sich hin. Der dreckige Beatnik! Wenn er wieder auf meinem Stockwerk ausstieg –
Das tat er.
Ich blockierte ihm den Weg, baute mich vor ihm auf.
»Was wollen Sie?« verlangte ich zu wissen.
»Ich?« Verdrossener Blick, weinerlich, gespielte Unschuld. »Ich, Mister?«
»Sie.«
»Von Ihnen?« Er betrachtete mich unverschämt von Kopf bis Fuß. »Nichts. Was is 'n mit Ihnen los? Ham Se nich alle?«
Er ging um mich herum, den Korridor hinunter, schaute noch einmal über die Schulter. Mir machte er nichts vor – daher wußte also Wilby, wo ich gestern war! Er hatte mich beschatten lassen. Wie paßte aber dann Phoebe in das Bild? Als er um die Ecke bog, winkte er mir spöttisch zu. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Genau wie Wilby. Der gleiche Abschaum. Aus der gleichen Gosse.
Ich betrat das Vorzimmer. Leer. Dann mein Büro.
»Mr. Wyatt, darf ich hereinkommen?«
Sie mußte mir auf den Fersen gefolgt sein. Da stand sie nun, ein Glas Wasser in der Hand, die andere geschlossen. Eine sehr attraktive Frau, wohlproportionierte Figur, lange Beine, weiches Gesicht. Warum empfand ich nichts?
»Nochmals Aspirin?«
»Beruhigungspillen. Würden Sie sie bitte nehmen? Mir zuliebe?«
Nicht mehr forsch,
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