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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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Schritten in die Diele, greift an dem Mann vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und knipst an dem Schalter; das Zimmer versinkt wieder in Dämmerung, irgendwo seufzt jemand erleichtert.
    Der Mann begibt sich in ein anderes Zimmer mit Büchern an den Wänden und einem Fernsehgerät, das angeschaltet, aber ohne Ton läuft und hinter den sich bewegenden Gestalten einen fahlen, flackernden Lichtschein in den Raum wirft. Auf der Couch kauert ein junge mit strähnigen, schwarzen Zotteln und Backenbart auf Händen und Knien und stößt einen Kehllaut aus, der zu einem Brüllen anschwillt, als er sich umwendet. Auf dem Boden hat sich ein stämmiger junger Mann mit braunem Bart rücklings ausgestreckt. Er trägt eine dunkle Brille und hat seinen Mund zu lautlosem Gelächter aufgerissen. Im unwirklichen bläulichen Licht der Mattscheibe gähnen schwarze Zahnstummel häßlich aus dem Schlund.
    Hinter dem Mann wirft jemand die Tür zu. Und aus dem Wohnzimmer klingt ein Schrei, wie schmerzgequält: »Nicht, bitte nicht, nicht!«
    Der junge Mann auf dem Boden richtet sich in eine halb sitzende Haltung auf, aber der dunkelschöpfige auf der Couch röhrt nur um so lauter.
    »Paps? Bist du's, Paps?«
    Der Mann steht über ihm und schweigt.
    »Schau dir Ramon an« – und hinter den genuschelten Worten verbirgt sich ein Gelächter –, »Paps, er is ein Löwe.« Er läßt sich zurücksinken und schaut zu dem Mann auf – oder an ihm vorbei; seine Augen liegen hinter den Brillengläsern verborgen.
    Der Mann macht einen Schritt vorwärts, und es scheint einen Augenblick, als wolle er dem hingeräkelten, bärtigen Jungen einen Fußtritt an den Kopf versetzen. Dann aber geht er rückwärts und greift nach dem Lichtschalter; plötzlich ist der kleine Raum in grelles Licht getaucht. Der Mann hebt eine Hand zum Gesicht, als wolle er sich wegen des Gestanks die Nase zuhalten, aber er reibt sie nur und läßt den Arm sinken.
    Ramon auf der Couch ist ein dunkelhäutiger Junge, Kubaner oder Puertoricaner, mit regelmäßigen Zügen und glanzlosen dunklen Augen. Er hat sich hingehockt und hört zu brüllen auf, er faucht.
    »Ramon hält sich für Mr. Metro von Metro-Goldwyn und dem Ringling Zirkus.« Er sagt es unbekümmert, entzückt. »Is er nich süß, was?« Der Mann holt lediglich aus, packt Ramon hinten an seinem Rollkragenpullover, schleppt ihn zur Tür, als wäre er tatsächlich ein Löwenjunges, und schubst den schmächtigen Burschen fast sanft in das Zimmer zu den anderen. Ramon kriecht unter weinerlichen Klagelauten von dannen.
    Die Musik hat gerade ausgesetzt, und aus dem Halbkreis ertönen Proteste, als ein Lichtstreifen hereinfällt. Ramon krabbelt weiter und rollt dann mit ausgestreckten Armen auf die Seite.
    Dann plärrt die Musik weiter, wild: »Ah jus' wanna make love t'you baby, love t'you, baby, love t'you, baby –«
    Der Mann schließt die Tür und dreht sich um.
    »Wilby, wo ist Jenny?« Es ist das erste Mal, daß er den Mund aufmacht, und die Stimme ist rauh wie Sandpapier.
    »Die Rolling Stones.« Die Gestalt auf der Erde wälzt sich auf den Bauch. »Hörste, wie sie den Text vergewaltigen? Jedes Wort. Richtige Notzucht.« Und er lacht wieder, lautlos, mit zuckenden Schultern. »Du hast Ramon beleidigt. Wo er doch so ein goldiger –«
    »Wo ist Jenny?«
    »Meinste mich, Paps?« Wilbys Stimme klingt leise – sanft und entfernt und sehr langsam, wie ein verstümmeltes Echo von der anderen Talseite. »Ich hör' so … schlecht.«
    »Sie haben verstanden. Wo ist Jenny?«
    »Willste 'nen Goof-ball, Mann? Oder 'n Stäbchen?«
    »Wilby, nun reicht's aber!«
    »Paps, solltest den kleinen Ramon sanft anfassen. Er is 'n Dichter.« Er legt sich wieder auf den Rücken, die Arme hinter dem struppigen Kopf verschränkt. »Hat geschrieben … wie war's doch … ›Omni-Potenz im Schlafzimmer‹, ein Sonett. Und … und … ›Chorknabe und Wüstling in einer Person‹, eine … pastorale Elegie. Alles auf spanisch, mit französischen Untertiteln.«
    »Schaffen Sie die Bande 'raus.«
    Wilby setzte sich hin, die Arme noch immer im Nacken. »Magst wohl meine Freunde nich, Mann? Akzeptierst se nich? Kokainköpfe. Schwule. Gammler. Hippies. Sind doch nur arme Schäflein, die ihren Hirten verloren haben.« Er schmunzelt. »Einer war sogar in Yale. Spielen halt ihr Spielchen. Wie du deines. Als Vater. Als Ehemann. Als Brotverdiener … Erfolgsmensch.« Er schlägt die Beine übereinander und schaut schräg nach oben.

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