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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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Wyatt.«
    »Gute Nacht, Pat.« Du verlogener, korrupter alter Kuppler!
    Was ist eigentlich Lüge? Wenn alles verlogen ist? Wenn es keine Wahrheit gibt?
    Mein Blick fiel wieder auf die Frau. Ein Mädchen noch. Ein junger Mann saß ihr gegenüber, und sie wirkte weder distanziert noch ärgerlich, sondern lebhaft; sie warf beim Lachen den Kopf in den Nacken. Da sah sie mein Gesicht. Irgendwie verging ihr das Lachen. Sie runzelte die Stirn, und ihr Gesicht wurde zu einer abweisenden, mürrischen Maske. Der junge Mann schaute hoch, erblickte mich, wurde ungehalten. Ihr Ehemann? Wessen Ehemann?
    Ich ging.
    Draußen hatte es sich etwas abgekühlt, die Dämmerung brach herein: die letzten Minuten Tageslicht, die mir heute alles unheilvoll und häßlich erscheinen ließen. Man muß sichergehen, daß sie nicht erkennen, was wirklich ist, denn wenn man jemals anfängt, zu begreifen – Was hatte ich geantwortet? Daß es wehtut.
    Ja. Aber nicht, weil ich um mich her Neues entdeckt hätte, von dessen Existenz ich nichts wußte, sondern weil ich die Welt aus einem anderen, schärfer eingestellten Brechungswinkel betrachtete. Darum auch hatte Ekel von mir Besitz ergriffen, drückte mich nieder bei jedem Schritt und würde mich wohl nie mehr aus den Klauen lassen: Abscheu und Schuldgefühle.
    Seltsamerweise funktionierte mein Geist – trotz oder wegen des Alkohols – mit kalter Klarheit, und das dank des schlechten Gewissens, nicht nur dank des Ekels, der mich bei der Erkenntnis befiel, was für ein trauriges Geschöpf der Mensch doch ist. Alle Menschen. Überall. Immer. Was er ist und was er nie aus sich machen wird.
    Terence hatte heute Dienst – ein kleines Geschenk des Himmels, für das ich unendlich dankbar war –, und sein lächelndes irisches Gesicht, als er mir die Tür aufhielt, bereitete mich nicht auf Böses vor.
    »Mr. Wyatt –«
    Ein Fremder erhob sich von der Marmorbank im Foyer: hochgewachsen, hager, in einem dunklen Anzug, der wie englische Maßarbeit wirkte. »Darf ich Sie eine Minute sprechen?«
    Nicht die Gestalt, sondern die selbstgefällige Stimme mit dem englischen Akzent gab mir einen Hinweis.
    »Ach, Geoffrey, ich habe Sie nicht erkannt –«
    Das magere Gesicht verzog sich zur Andeutung eines Lächelns. »Ich mußte mit Ihnen sprechen, Sir. Deshalb blieb ich nach Dienstschluß hier, Sie verstehen schon.«
    Ich wartete. Sollte er sich in seiner eigenen Schlinge fangen. Wie gefällt Ihren Verwandten denn New York? In London soll es ja heutzutage eine Menge dieser Typen geben.
    »Es handelt sich um meine Frau. Sie ist nämlich krank.«
    »Wirklich?« Es klang erstaunt. »Ich wußte nicht einmal, daß Sie verheiratet sind, Geoffrey.«
    »O ja, schon seit zehn Jahren. Aber, wissen Sie … es ist so schwer auszudrücken …«
    »Versuchen Sie's«, sagte ich, wissend, abwartend.
    »Eine Frau – manche Frauen, wenn sie ein gewisses Alter erreichen … wir haben nach amerikanischen Begriffen spät geheiratet … nun, die Ärzte haben ihr einen Sanatoriumsaufenthalt verordnet.«
    »Von Sanatorien habe ich schon gehört, Geoffrey.« Er sollte mit der Sprache herausrücken.
    »Weil sich niemand um sie kümmern kann, während ich arbeite. Nun, Sie wissen sicher, daß ich hier nicht allzuviel verdiene, auch mit den Trinkgeldern – und ich muß sagen, Ihre monatliche Zuwendung war immer mehr als generös.«
    »Gern geschehen, Geoffrey.«
    »Aber –«
    »Ja, Geoffrey?«
    »Nun, Sir – es reicht immer noch nicht, um … der armen Audrey einen Sanatoriumsaufenthalt zu ermöglichen. Und mit Darlehen ist es in den letzten Monaten sehr schwierig geworden.«
    »Ja, tatsächlich?« erwiderte ich, und obgleich ich mich kaum wiedererkannte, schämte ich mich nicht. Wieder einmal eine Erpressung, fragte sich nur, in welcher Höhe.
    »Und so überlegte ich mir – ah, guten Abend, Mrs. Weiss –, ob Sie mir nicht vielleicht ein wenig unter die Arme greifen würden. Natürlich nur als Darlehen, selbstverständlich mit Zinsen. Was immer Sie verlangen, Sie verstehen schon, Sir.«
    »Oh, ich verstehe schon, Geoffrey.«
    Wenn also dieser Verdacht nicht auf Einbildung beruhte, wie stand es dann mit meinen anderen Verdächtigungen? Ich war neugierig und sehr gefaßt. Jetzt warf mich nichts mehr um.
    »Ich wußte, Sie würden Verständnis haben, Mr. Wyatt. Ich dachte an einen geringfügigen Betrag, für Ihre Verhältnisse.«
    »Zum Beispiel, Geoffrey?« Es fragte sich nun, ob Geoffrey von beiden Parteien kassierte.

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