Sonntag bis Mittwoch
Orientalin, die Blondine in der Ecke, oder eine der anderen schemenhaften Gestalten im nun gelockerten Halbkreis?
Ein Flüstern: »Der Kerl hat 'ne Kanone.«
Geräusche und Bewegung. Durcheinander. Der Neger zieht sich mit erschrecktem Blick in die Diele zurück, die Hände abwehrend ausgestreckt, die rosa Handflächen nach außen.
Jetzt hebt der Mann die Waffe.
Jemand stöhnt – das an der Wand zusammengesunkene Mädchen, blind für die Umgebung, in Trance, in seiner eigenen Phantasiehölle. Ihr Freund steht mit geschlossenen Augen, torkelnd, als würde er gleich umfallen, daneben und sagt: »Könnte ich nur mit den Fingern schnalzen –«
Die Orientalin erhebt sich mit angeborener Würde, murmelt etwas in ihrer Muttersprache und geht zur Tür, die der Neger hinter sich offen ließ. Der muskulöse Jüngling fragt: »Wo haben Sie das Ding her?« Das Mädchen mit den nackten Armen, das vorhin tanzte, zerrt ihn am Ärmel in die Diele; ihre Augen blitzen fasziniert beim Anblick des Revolvers. Der schlaksige Stutzer steht unsicher auf, weicht vor der Waffe mit schreckensbleichem Gesicht und ängstlichem Blick zur Diele hin zurück, übersieht die Stufe und stürzt. Während er sich aufrappelt, erkundigt er sich unschuldig im breiten Akzent des Mittelwestens: »Ham Sie 'ne Schraube locker, Mister?«, ehe er verschwindet. Der Mann baut sich vor dem Pärchen an der Wand auf und zielt mit der Waffe auf sie. Der Junge fragt ihn kläglich: »Warum kann ich nicht mit den Fingern schnalzen. Helfen Sie mir, bitte.«
Einen Moment lang verliert der Mann den Faden, dann sagt er: »Macht, daß ihr 'rauskommt.«
Als sei dies ein Befehl, den man weder ignorieren noch mißachten kann, kniet sich der Junge neben dem Mädchen hin, legt seine Wange an ihre zusammengeballte Hand, flüstert: »Laurie, komm, wir gehen heim. Laurie, komm. Hilfst du mir?« Das Mädchen hebt sein verzerrtes, tränenüberströmtes Gesicht und betrachtet ihn stirnrunzelnd. Dann haucht sie: »Ich kann dein Gesicht sehen. Ich kann hinter dein Gesicht sehen, Peter. Durch deine Augen. Dich. Dich.«
Peter hilft ihr beim Aufstehen. Ohne einen Blick auf den Mann und die Waffe gehen sie zur Diele. Peter stützt sie an der Stufe, und sie verschwinden. Peters Stimme ist schwach zu hören: »Ich hasse alles. Ich will dein verdammtes –« Dann verebbt das Klagen.
Der Raum ist leer, bis auf den Mann mit dem Revolver.
Eine Weile bleibt er reglos stehen. Dann schaut er die Waffe an, als hätte er sie noch nie gesehen, als frage er sich, was sie bedeute und wie sie in seine Hand gekommen sei.
Er läßt den Arm sinken. Wie ein Mensch, der so erschöpft ist, daß ihm jede Bewegung zuviel wird, schlurft er in die Diele, richtet das Telephontischchen auf, stellt das Telephon auf seinen Platz und bleibt dann wie angewurzelt stehen, als müsse er sich überlegen, was er noch tun oder wo er noch hingehen könnte. Er betrachtet das verwüstete Wohnzimmer, als sei es ein Schlachtfeld und als wisse er nicht mehr, worum der Kampf ging.
Die gegenüberliegende Tür steht offen. Und aus jenem Zimmer dringt die Stimme eines Nachrichtensprechers, unpersönlich und munter, wenn auch unverständlich an sein Ohr.
Als wecke dies eine Erinnerung, setzt sich der Mann in Bewegung, aber eine Stimme hinter ihm läßt ihn stocken.
»Na, das muß ja eine tolle Party gewesen sein!« Ein hochgewachsener Mann in dunklem Anzug steht in der aufgerissenen Wohnungstür. Er läßt den Blick durchs Zimmer schweifen, schnüffelt die rauchgeschwängerte Luft und zieht die Brauen in die Höhe. »Ich muß schon sagen, alter Junge, im allgemeinen lehne ich Einladungen zu solchen Geselligkeiten ab, aber es verletzt meine Gefühle, nicht wenigstens aufgefordert zu werden.« Er schlendert in die Diele. »Von der Musik abgesehen, war es ja leise genug. Ich will mich also nicht etwa beschweren. Verdammt!«
Der Blick des Eindringlings mit dem schlaffen, fleischigen Gesicht bleibt wie gebannt an der Waffe hängen. Dann faßt er sich wieder, tritt in das Wohnzimmer, schnuppert nochmals, nickt. »Süßer Geruch, was? Indischer Hanf. Sagenhaft, was diese Wilden kannten, lange ehe wir diese Freuden entdeckten? Ich hab's nur zweimal probiert – alles wenigstens zweimal versuchen, das ist mein Motto –, aber der Duft ist unverkennbar. Wieviel haben Sie intus, alter Junge. Hoffentlich nicht so viel, daß sich die Sache nicht mehr vernünftig mit Ihnen besprechen läßt.«
»Welche Sache?«
»Oho, ich merke
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