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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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noch einmal um und beäugt Wilby. »Wenn Sie wirklich wollen, Adam –«
    »Ich weiß nicht, was ich will.«
    »Mit fünfzig Piepen läßt sich bei einem New Yorker Polizeibeamten fast alles regeln bis auf Mord. Aber Sie sollten die Fenster öffnen, damit der Dunst nicht nach unten zieht.«
    Er ist fort: die Tür ist geschlossen.
    Wilby geht leichtfüßig zur Terrassentür und macht sie auf. Wind bauscht die Vorhänge. In die dicken Rauchschwaden kommt träge Bewegung.
    Wilby verschwindet.
    Der Mann schaut wieder auf den Revolver. Dann steckt er ihn in die gleiche Tasche wie zuvor und folgt Wilby auf die Terrasse hinaus. »Wilby – wenn Jenny tot ist –«
    »Casanova, jeder muß sterben. Was bedeutet Zeit?«
    »Wenn sie tot ist –«
    »Mann dein Problem is, daß du noch immer 'n Sinn hinter allem suchst, kapito?«
    Daraufhin versinkt der Mann wieder in Schweigen.
    Wilby steigt auf die Balustrade, streckt die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten, grinst. »Zuviel frische Luft, zu schnell. Wo is die Kanone, Mann?«
    Keine Antwort.
    »Mein erstes Spielzeug. Deins auch, Paps? Das erste Spielzeug aller Amerikaner. Du sollst nicht töten, aber scher dich aus der Küche und erschieß die Nachbarsgören!«
    Keine Reaktion.
    »Wie wär's mit 'ner Partie Russisches Roulette, Paps? Chancen stehen eins zu sechs. Ich mach' sogar den Anfang.«
    Schweigen.
    Wilby schmunzelt.
    »Was biste heute redselig, Casanova.«
    Die Hand des Mannes versenkt sich wieder in die Tasche.
    »Wie konnten Sie eine Autopsie umgehen?«
    »Die Polente sollte ja so um drei aufkreuzen –«
    »Gab es überhaupt eine Autopsie?«
    »Bißchen spät dran –«
    »Was ist mit der Leiche geschehen?«
    »Leiche? Was is schon eine Leiche? Staub. Chemikalien. Düngemittel, Mann. Für hübsche Blumen, Gemüse … damit mehr Menschen leben können … damit sie düngen, wenn sie sterben –« Er stockt. »Das nennt man Kontinuität, Mann. Unsterblichkeit. Kapito? Aber sag's nicht weiter.« Er schaut den Mann an, nimmt die Brille ab. Seine Augen blicken ebenso glasig wie die des Mannes. »Was kommt's schon darauf an? Man klettert auf die Wolke, man sieht, man versteht nichts, man lebt, man stirbt, man stirbt nicht –« Er zuckt die Achseln. »Mann, wenn du schießen willst, dann tu's.«
    Langsam zieht der Mann die Hand aus der Tasche.
    »Jenny is fort. Mach schon.«
    Der Mann wendet sich ab.
    »Warum nicht? Warum nicht?«
    Der Mann rührt sich nicht.
    »Ich sag' dir, warum, Casanova!«
    Unten jault die Sirene, und der Streifenwagen entfernt sich.
    »Soll ich dir's sagen?«
    Das Heulen verebbt.
    »Weil du begreifst. Weil du langsam kapierst, kapito?«
    »Ich begreife nur … daß Sie verrückt sind.«
    »Sag das nicht! Du weißt's besser! Sag's nicht?«
    Der Mann dreht sich um.
    »Verrückt.«
    Wildheit in Wilbys nackten Augen. »Das mußt du sagen, weil du's kapierst! Aber is ja egal. Ich hab' die Leute gesehen. Die glauben, was sie glauben! Innerlich. Ein paar haben Frieden gefunden! Ich weiß es, ich habe sie gesehen. Sie haben Frieden!«
    »Wo haben Sie solche Menschen gesehen?«
    Wilby stößt einen gedämpften Verzweiflungsschrei aus. »Paps, hör auf, mich zu bekämpfen. Ich weiß, was dich stört, Mann. Du glaubst, du hast dich gegen mich wegen deiner Frau gewehrt. Und wie steht's dann mit Jenny? Und du glaubst, du hast wegen deiner Tochter gekämpft. Aber du weißt, du weißt ganz genau, wenn du mit ihr schlafen könntest, ohne –«
    Der Mann geht ins Wohnzimmer. Hastig.
    Wilbys Stimme folgt ihm. »Es bringt dich um, Mann, aber du kapierst's.«
    Drinnen bleibt der Mann stehen, wirft einen gehetzten Blick auf die Treppe – und hastet dann zur Diele.
    Ein Schlüssel wird in das Schloß der Wohnungstür gesteckt.
    Der Mann stutzt, lauernd.
    Der Schlüssel wird gedreht, die Tür geht auf, und ein Mädchen tritt herein. Sie trägt ein kurzes weißes Kleid mit roten Rauten, von schwarzen Streifen eingerahmt. Ihr langes, dunkles Haar fällt locker auf den Rücken. Sie trägt einen kleinen Transistorempfänger unter dem Arm, der grelle Dissonanzen ausstößt.
    »Großer Gott!« sagt sie, »das Zeug kann man ja meilenweit riechen. Pfui!«
    Und mit großer Selbstverständlichkeit, als kenne sie sich hier aus, öffnet sie die Fenster.
    Als Wilby in der Terrassentür auftaucht, sagt sie mit einem abfälligen Schulterzucken: »Und du wunderst dich, warum mich das Zeug ekelt?« Sie wendet sich an den Mann. »Ich hab's einmal probiert. Mir ist übel

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