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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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geworden. Ich mußte brechen.«
    Der Mann wendet sich langsam Wilby zu, der im Türrahmen steht. Jetzt spricht er. »Paps hat sich Sorgen gemacht, um dich, Jenny-Baby. Bist zu lange weggeblieben.«
    Der Mann holt wieder den Revolver aus der Tasche.
    »Paps«, fährt Wilby fort, »du hast nicht aufgepaßt. Ich hab' deiner guten Phoebe, der alten Phoebe Waldron gesagt, Jenny hat's überstanden, als sei nichts geschehen, weil nämlich nichts geschehen ist. Der Witz geht auf deine Kosten, guter Adam.«
    Der Mann drückt nicht auf den Abzug, obgleich seine Knöchel weiß schimmern.
    Keine Explosion.
    Statt dessen – und so langsam und unverhohlen, daß Wilby hätte ausweichen können – holt er ohne Erregung mit der Rechten aus und knallt Wilby den Lauf ins Gesicht. Das Bartgestrüpp kann die Wucht des Metalls nicht mildern.
    Wilby wird aus dem Gleichgewicht gerissen und hält sich nur noch einen Augenblick schlotternd auf den Beinen, ehe er zusammensackt, ein Gemisch von Erleichterung, Trauer und Schmerz in den blassen Augen. Einzig ein Wortschwall aus dem Radio des Mädchens durchbricht die Stille, ein Sprecher kündigt mit hohler und um so zuversichtlicherer Begeisterung eine Platte an, die diese Woche auf den dritten Platz vorgedrungen ist!
    Wilby liegt schlaff in embryonaler Haltung zusammengekauert auf dem Boden. Und der Mann stellt sich mit gegrätschten Beinen über den reglosen Körper und hebt wieder die Waffe, höher diesmal.
    Das Mädchen spricht. »Mach weiter. Weiter!«
    Der Revolver hat bereits zu seinem Schwung nach unten angesetzt, als der Mann, noch immer breitbeinig über der wehrlosen Gestalt, zu dem Mädchen hinsieht.
    Sie hat sich auf die Zehenspitzen gereckt, gespannt und vor Erwartung bibbernd, die Hände vor dem Mund und die Augen – zwei funkelnde Punkte – weit aufgerissen. »Na, mach doch weiter. Worauf wartest du?« Dann zischend: »Gib's ihm!«
    Ungläubigkeit umwölkt des Mannes Blick, Entsetzen und Abscheu. Er läßt die Schultern hängen. Er löst die Augen von dem Mädchen, tritt beiseite und schaut auf das offensichtlich leblose Bündel herab. Blut quillt durch den Bart und rinnt dunkel über das Gesicht.
    Der Arm des Mannes sinkt herab, die Waffe hängt schlapp in der Hand, als könnte sie ihm jeden Augenblick entgleiten.
    Mit langen Schritten eilt das Mädchen zur Treppe, schaltet mit einer Hand das Radio aus. »Laß ihn liegen«, keucht sie. »Laß ihn und komm. Adam. Schnell. Jetzt.«
    Der Mann jedoch rührt sich nicht. Zwei leblose Gestalten im Zimmer, während das Mädchen die Stufen hinaufspringt.
    »Ich weiß, wie gemein er wird, wenn er das Zeug intus hat.« Sie lehnt sich über das Geländer, und ihre Worte kommen leise und gehetzt. »Diese Pillen, schlimmer als Koks. Komm, Adam, Liebling. Komm doch!«
    Als der Mann nicht antwortet, sondern sie nur mit einem benommenen und angewiderten, aber nicht mehr ungläubigen Ausdruck anblickt und erschauert, steigt sie eine Stufe herunter.
    »Du warst gestern nacht zu besoffen, Schatz. Sonst nichts.« Ihre Stimme seidig mit einem dunklen, urwaldhaft vielversprechenden Unterton. »Du hast nicht mal zugehört, als ich dir sagte, daß ich dich liebe. Weißt du eigentlich, daß du mich nur einmal geküßt hast? Einmal. Aber heute nacht sollst du mich küssen, Adam.«
    Der Mann zuckt zusammen, als sei ein Schatten über seine Gedanken gefallen.
    Da beginnt sich die Gestalt am Boden zu regen, sie stöhnt. Mit halbgeschlossenen Augen rappelt der Junge sich hoch, steht schwankend, mit affenartig schlenkernden Armen da, läßt seine blanken, blauen Augen im Raum schweifen, ohne irgend etwas zu erfassen. Dann stolpert er unter leisem Gejammer in das Zimmer, in dem der Mann ihn vorher gefunden hat, und läßt die Tür offen.
    »Kommst du, Adam?« Vor Ungeduld klingt ihre Stimme heller.
    Schließlich sagt er: »Nein.«
    Das Mädchen rennt die Stufen herunter. »Bitte, Liebling?« Ein sanftes, kindliches Fordern, fast unhörbar. »Bitte – mir zuliebe.«
    Der Mann scheint durch sie hindurchzusehen, als er die Waffe in die Tasche steckt.
    »Ich schreie.« Sie flötet noch immer, aber ihre Augen sind schmal geworden, und ihr Kinn ist vorgeschoben. »Ich brülle so laut, daß alle –« Sie bricht sofort ab, als sich der Mann endlich in Bewegung setzt. Zur Terrassentür. Er öffnet sie sperrangelweit, schaut sie dann ausdruckslos, ohne Achselzucken oder irgendeine Geste an. Die Aufforderung ist klar.
    Sie hat den Fuß der Treppe erreicht.

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