Sophie und der feurige Sizilianer
bedachte und reizvolle Mixtur aus antiken Möbeln, individuellen Modern-Art- Designerstücken und kostbaren Stoffen registrierte. Alles harmonierte perfekt miteinander. Keine Frage, sie stand in einem Showroom der Extraklasse. Zweifellos konnte man jedes der ausgestellten Stücke erwerben, obwohl nichts so Ordinäres wie Preisschilder an den einzelnen Exponaten hing.
Dieses Ambiente unterschied sich unglaublich von ihrem Mini-Designstudio zu Hause, das mit einem schlichten Zeichentisch, Farbtafeln und einer kleinen Tapetenmusterkollektion ausgestattet war.
Fast andächtig fuhr sie mit den Fingerspitzen über einen wunderschönen antiken Kelim, der lässig über der Lehne eines Chesterfield-Sofas lag. Hier sollte sie arbeiten?
„Hallo?“, rief sie noch einmal. Wieder ohne Erfolg.
Doch während sie langsam weiterging, hörte sie irgendwo im Hintergrund Stimmen, die mit jedem ihrer Schritte lauter und verständlicher wurden. Irritiert hob sie die Brauen und erkannte im nächsten Moment, dass das, was sie für eine Wand gehalten hatte, nur eine Art stoffbespannter Paravent war. Vorsichtig linste sie durch einen Spalt zwischen den weißen Leinenbahnen hindurch und war verblüfft.
Auf den zweiten Blick entpuppte sich das eher schmale Haus mit der täuschend schlichten Fassade als wahres Raumwunder. Denn der Bereich hinter dem Paravent war mindestens noch einmal so groß wie der Eingangsraum und erstrahlte im Glanz zweier riesiger Kristalllüster.
Hier war alles im streng klassizistischen Stil gehalten. Blasse Töne und trügerisch schlichte Formen gaben dem Ganzen eine ungeheure Leichtigkeit. An einer Wand hing ein antiker Spiegel, dessen ornamentverzierter breiter Rahmen weiß gekalkt war – ein wahres Prachtstück, das die Bühne vollends beherrschte.
Gerade wollte Sophie sich bemerkbar machen, da schnappte sie in dem fortwährenden Geschnatter ihren eigenen Familiennamen auf und erstarrte. Offenbar waren es zwei junge Frauen, die sich unterhielten. Sie sah von ihnen aber nicht mehr als die wohlfrisierten Hinterköpfe, da sie mit dem Rücken zu ihr auf einer weiß gelaugten Bank in skandinavischem Design saßen.
„Was? Eine echte Balfour soll hier bei uns anfangen? Du machst Witze! Arbeiten die dennüberhaupt? Und riskieren dabei, sich womöglich einen Fingernagel abzubrechen?“
„Was würdest du denn tun, wenn du eine Millionenerbin wärst?“
„Lass mal überlegen …“
Beide Frauen brachen in hämisches Kichern aus, und Sophie krümmte sich auf ihrem unfreiwilligen Lauschposten vor Unbehagen.
„Immerhin muss sie ihr Erbe mit ihren Schwestern teilen! Wie viele von ihnen gibt es überhaupt?“
„Meinst du, mit diesem Kuckucksei, das erst kürzlich aufgetaucht ist?“
Obwohl Sophie das gutmütigste der Balfour-Mädchen war, röteten sich ihre Wangen vor Ärger über den Tratsch, der sich gegen Mia richtete. Sie war das Resultat einer Affäre ihres Vaters, die über zwanzig Jahre zurücklag.
Oscar hatte seine Tochter, von der er bis vor Kurzem nichts gewusst hatte, herzlich in der Familie willkommen geheißen. Und Sophie hatte sich vom ersten Moment an besonders zu ihrer wunderschönen italienischen Halbschwester hingezogen gefühlt.
„Diese Zoe Balfour soll ja auch gar keine echte Balfoursein! Vielleicht ist sie ja diejenige, die hier anfangen soll“, drang es weiter an ihre Ohren.
Die Röte auf Sophies Wangen vertiefte sich noch.
„Yeah. Vielleicht will ihr Vater sie elegant abschieben, weil er weiß, dass sie nicht sein eigen Fleisch und Blut ist“, spekulierte die andere Stimme. „Ich wünschte, ich hätte auf diesem phänomenalen hundertsten Balfour-Charity-Ball Mäuschen spielen können!“
Sophie ballte die Hände zu Fäusten und wäre am liebsten dazwischengegangen, doch dann hätte sie zugeben müssen, dass sie gelauscht hatte, und das wäre bestimmt kein guter Start für ihren neuen Job.
Auf dem Ball hatte sich, durch einen dummen und laut ausgetragenen Streit ihrer Zwillingsschwestern Olivia und Bella, tatsächlich Zoes Illegitimität herausgestellt. Dieser erneute Skandal, nach Mias unerwartetem Auftauchen, hatte Oscar Balfour dazu veranlasst, seine Vaterqualitäten einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen. Es hätte ihn aber nie dazu gebracht, in Zoe jemals etwas anderes als eine echte Balfour zu sehen.
„Also, wie viele sind es denn nun?“
„Sechs, sieben … wer weiß das schon so genau. Aber was würde ich darum geben, ihr Aussehen oder ihr Geld zu haben!“
Acht
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