Sophie und der feurige Sizilianer
Vergleich zu diesen sündhaft teuren Push-ups aus kratziger Spitze ging.
Doch später in ihrem Zimmer hatte Sophie eine ganze Weile vor ihrem offenen Kleiderschrank gestanden und die langweiligen, farblosen „ Hauszelte“ angestarrt, wie Annie ihre weiten, formlosen Kleider und Oberteile nannte.
Aber was konnte sie dafür, dass sie nicht wie ihre hochgewachsenen, dünneren Schwestern aussah, die keinen Atombusen unter Lagen von Stoff verstecken mussten, damit sie sich nicht hilflos unverschämten Männerblicken ausgesetzt sahen.
Kein einfaches Los in einer Familie, die durch Schönheit, Grazie und geistreiche Verbalakrobatik aus der Masse hervorstach. Eine Balfour, die das Scheinwerferlicht scheut wie der Teufel das Weihwasser. Wie hatte sie diese gehässige Presseschlagzeile gehasst.
Dass sie weder hinreißend schön war noch vor Charme und Witz sprühte, machte sie doch nicht gleich zum Freak! Trotzdem saß der Giftpfeil so tief, dass sie sich damals ernsthaft fragte, ob sie nach ihrer Geburt im Krankenhaus nicht vertauscht worden war. Dagegen sprachen allerdings die typischen blauen Balfour-Augen, ein Erbe Oscars.
Im allgemeinen Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, schien für jedes Familienmitglied der Balfours nicht nur selbstverständlich, sondern eine Art Lebenselixier zu sein, außer für Sophie. Für sie bedeutete es die Hölle. Doch inzwischen hatte sie eine bewundernswerte Routine darin entwickelt, unauffällig mit dem Hintergrund zu verschmelzen, wenn man sie tatsächlich zu öffentlichen Auftritten zwang. Falls sie auffiel, dann eher dadurch, dass sie über ihre eigenen Füße stolperte oder etwas umstieß …
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte eine kultivierte weibliche Stimme in ihrem Rücken.
Vor Schreck stieß Sophie einen kleinen Schrei aus und fuhr herum, wobei ihre Handtasche zu Boden fiel. Eine gertenschlanke Blondine im hautengen roten Designerkostüm musterte sie mit erhobenen Brauen.
„Verzeihung, ich …“ Sophie bückte sich nach ihrer Tasche und richtete sich mit puterrotem Kopf wieder auf. „Ich bin Sophie Balfour und soll hier … ich meine, mein Vater …“
„Sie sind Sophie Balfour?“ Die Skepsis in der Stimme der blonden Frau war nicht zu überhören.
Da Sophie genau diese Reaktion erwartet hatte, verzichtete sie auf jede weitere sichtbare Regung und nickte nur knapp. „Mein Vater sagte, Sie würden mich erwarten.“
„Ich habe …“ Die Frau beendete den Satz nicht, aber das war auch nicht nötig.
Sie hat jemand mit Glanz und Glamour erwartet, und sie bekommt … mich! füllte Sophie die Wortlücke für sich aus.
Die Blondine kniff die perfekt geschminkten Augen zu schmalen Schlitzen und die kirschroten Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Obwohl sie wahrscheinlich die Stirn runzelte, zeigten sich auf ihrem Gesicht nicht mehr Falten als bei einem Baby.
„Ich bin Amber Charles“, stellte sie sich eher widerstrebend vor. „Ihr Vater hält Sie für ziemlich talentiert.“
„Ich liebe Farben und Stoffe …“, antwortete Sophie ausweichend.
Als sie den beziehungsvollen Blick ihrer zukünftigen Chefin sah, mit dem diese ihre farb- und formlose Garderobe musterte, krampfte sich ihr Magen zusammen.
„Ich habe einen Abschluss in Einrichtungsgestaltung“, platzte sie heraus und wusste im gleichen Moment, dass ihr Gegenüber auch davon nicht besonders beeindruckt sein würde.
Amber machte nur ein gequältes Gesicht und hob wie abwehrend eine sorgfältig manikürte Hand. „Ich bin sicher, Ihre Zeugnisse sind exzellent. Viele Mädchen aus Westfield gehen bevorzugt nach Oxbridge. Die Tochter einer meiner Cousinen macht dort nächstes Jahr ihr Diplom und ist ganz begeistert von dem hohen Standard. An welcher Universität haben Sie studiert?“
„Eigentlich an gar keiner. Ich habe einen Fernkurs gemacht.“
Amber bemühte sich um ein Lächeln. „Wie … nett.“ Offensichtlich hatte ihr Vater seiner Exflamme gegenüber kaum Details verraten, als er ihr seine Tochter als neue Mitarbeiterin angepriesen hatte.
„Nun, Sophie, was sollen wir jetzt mit Ihnen machen“, überlegte Amber laut. „Sie mögen ja tatsächlich talentiert sein, aber das ist in unserer Branche bei Weitem nicht genug.“
„Nicht?“, echote Sophie schwach.
„Natürlich nicht“, kam es knapp zurück. „Interieurdesign ist ein heiß umkämpfter Markt, auf dem man alles geben muss. Aufmachung und Auftreten sind mindestens so wichtig wie Talent. Unsere Klienten erwarten ein
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