Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
Ihrer Mutter. Sie müssen mir vertrauen – jetzt und alle Zeit«, sagte er, und in seiner Stimme schwang Erleichterung.
    »Ich werde in Zukunft auf alle Tricks oder Täuschungen verzichten.«
    Ich starrte in die Schüssel. Wie eine sterbende Qualle schwebte Signor Pontorbos Gesicht in der Flüssigkeit. An verschiedenen Stellen waren Einschnitte sichtbar, wo die Hand mit dem Rasierer ausgeglitten war. An den groben Schnittkanten und den Flächen, von denen der Schleim sich gelöst hatte, war das von winzigen Venen durchzogene Fleisch weiß wie Milch. Man konnte die Sprenkel erkennen, an denen seine Haare direkt durch die Haut gewachsen waren.
    »Ist das eine Maske?«
    »Von der feinsten Sorte. Wir nehmen die Gesichter von toten Leuten und erwecken sie wieder zum Leben.«
    Er griff in die Schüssel, zog das Gesicht an der Stirn ein Stück heraus und hielt es einen Moment, wobei das Kinn immer noch in die Flüssigkeit lag und am Boden der Schüssel Falten warf. »Wer das war? Irgendein toter Soldat, ein hingerichteter Gefangener, das Opfer eines Verbrechers. Die Hände unserer Spezialisten erwecken ihn wieder zum Leben. Hier,
signorina,
sehen Sie?«
    Er drehte das Gesicht um. Leere, klaffende Augenhöhlen starrten mich an. Signor Pontorbo sank ins faulige Wasser zurück. »Ein lebender Schleim«, erklärte der Mann, der sich jetzt Bruno nannte. »Vom Uranus. Man verteilt ihn auf dem Rücken.« Er machte eine Bewegung, als bestreiche er eine Scheibe Toast mit Butter, und berührte dann mit den Fingern seine Wangen. »Er fördert«, fuhr er entschuldigend fort,
»vogliate scusarmi, signorina –
die Durchblutung.«
    Sofort bekam ich eine Gänsehaut, und in meinem Kopf drehte sich alles. Meine Nervenenden zuckten wie Knallfrösche.
    Der Mann ließ das Gesicht mit leisem Platschen ins Wasser zurückfallen. Der rosafarbene Schleim schien noch blasser zu werden und träge ineinander zu sinken. »Jetzt wird er sterben«, meinte Bruno und lächelte bedauernd. »Leider.« Er wischte sich mit der Hand das Blut vom Gesicht und trocknete die Finger mit dem Handtuch ab.
    Ich war entsetzt. »Sie sind auch noch stolz darauf!«
    Er runzelte die Stirn, als seien meine Worte ein einziges Unrecht. Wieder zeigte er auf die Schüssel. »Signorina, dort liegt mein ganzer Stolz – mein Vermächtnis –meine Pflicht. Ich werfe alles weg, opfere alles – für Sie!«
    Das war zuviel für mich. »Ich will Ihre Opfer nicht!« schrie ich. »Sie können offenbar nichts tun, ohne dabei irgend etwas zu töten, oder?« Und damit stürzte ich ins Vorschiff, riß mir den Helm vom Kopf und erbrach mich, bis mir die Innereien schmerzten.
    Danach fühlte ich mich besser, obwohl mir immer noch die Beine zitterten. Ich ruhte mich etwas aus und schloß die Augen, bis sich die rotierenden Kreise davor verflüchtigt hatten.
    Schließlich raffte ich mich auf und drehte mich um. Mein Champion war mir gefolgt. Er lehnte am Schanzkleid und betrachtete mich unter halbgeschlossenen Lidern. Er hatte die Lippen zusammengepreßt und die Mundwinkel heruntergezogen, als habe er in eine bittere Frucht gebissen. Sein eigenes Gesicht war wesentlich ausdrucksvoller als die Maske.
    »Der Mann war schon tot«, sagte er fast im Flüsterton und reichte mir einen Becher mit Wasser. »Hier.«
    Ich nahm einen Schluck, spülte mir damit den säuerlichen Geschmack aus dem Mund und spie aus. »Dann hätten Sie ihn in Frieden lassen und ihm nicht das Letzte stehlen sollen, das ihm noch geblieben war, Sir! Überhaupt – was ist mit dem Ding vom Uranus?«
    »Es empfindet nichts!« Er schien überrascht, daß sich jemand darum Sorgen machte. »Es ist eine Pflanze!«
    Einen Augenblick lang fürchtete ich, daß er die Schüssel aus der Kombüse holen würde, um es mir zu beweisen.
    Ich wischte mir mit dem Handrücken über den Mund. Inzwischen fühlte ich mich wesentlich besser, war aber immer noch wütend. Ich gab ihm den Becher zurück. »Und was sind Sie, Signor Bruno, daß Sie herumgehen und die Gesichter anderer Leute stehlen?«
    »Ich bin nichts.« Dabei sah er mich unverwandt an. »Ich bin nicht mehr, was ich einmal war.«
    Damit konnte ich nichts anfangen. »Und Sie nennen sich jetzt nur einfach Bruno, Sir? Was ist das für ein Name?«
    »Ich hatte schon zu viele Namen«, meinte er leise. »Sie würden Ihre Lippen entweihen. Bruno reicht für den Moment.« Er sah mich besorgt an. »Sind Sie hungrig,
signorina?«
    Ich betrachtete ihn mißtrauisch. Kein Mann hatte mich je in solchem

Weitere Kostenlose Bücher