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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Ton angeredet. Männer hatten immer nur gerufen, es sei Zeit fürs Mittagessen, und darauf gewartet, daß ich es ihnen servierte.
    Mir schmerzte der Kopf wie jedesmal, wenn ich Segel setzte. »Ich könnte etwas zu essen vertragen«, sagte ich unwirsch. Ich wollte ihn hassen, ich wollte keine Freundlichkeit von ihm.
    »Da sind frisches Brot, frische Pelikaneier und Oliven von der Erde. Captain Andreas hat sogar irgendwo ein paar Tomaten für uns aufgetrieben, wenn auch nur so groß wie Kirschen. Kommen Sie, essen Sie etwas, Miss Clare. Nur zu bald werden wir uns mit einem kärglicheren Speisezettel begnügen müssen,
vogliate scusarmi.«
    »In Ordnung. Schon gut.«
    »Fühlen Sie sich jetzt wieder besser? Lassen Sie mich Ihnen helfen.«
    »Nein. Gehen Sie bitte voraus.«
    Wir gingen wieder in die Kombüse, wo die Luftpumpe Geräusche wie eine muhende Kuh von sich gab. Ich stellte fest, daß jemand schon die Schüssel gesäubert und getrocknet hatte. Sie stand bei all den anderen Küchengeräten in den Regalen an der Wand. Bei ihrem Anblick wurde es mir schon wieder flau im Magen.
    »Was geschah mit Signor Pontorbo?« fragte ich.
    Bruno sah mich stirnrunzelnd an. »Ich glaube nicht, daß ich den Gentleman kannte«, antwortete er vorsichtig und klappte für mich einen Stuhl herunter. »Bitte, Miss Clare – wenn Sie so nett sein wollen.«
    Ich setzte mich und schnallte mich an. Er spannte auf ganz spezielle Weise ein Tuch durch den Raum und füllte eine Pfanne mit Schinkenstreifen. Seine Finger arbeiteten flink und geschickt. Alles, was aus der Pfanne herausfiel, wurde in dem Tuch aufgefangen.
    Ich hatte Gelegenheit, ihn eingehend zu betrachten, während er sich intensiv mit der Zubereitung des Essens beschäftigte. Das Licht der Kombüsenlampe warf einen warmen Goldschimmer auf seine glattrasierte Haut. Er war noch ziemlich jung, wie ich plötzlich feststellte. Tatsächlich konnte er nicht viel älter sein als ich. Ich überlegte, daß er sehr reich sein mußte, um schon ein eigenes Schiff zu haben und fahren zu können, wohin er wollte. Ich beneidete ihn um diese Freiheit. Dabei fragte ich mich, ob es sein Reichtum war, der ihn das Leben so geringschätzen ließ, daß er so großzügig damit umging.
    Oder war er arm? Seine Kleidung war alt – und die
Giaconda
ein kahles kleines Schiff ohne Bleiverglasung oder geschnitztes Holzwerk. Vielleicht hatte er sie sogar gestohlen, vielleicht war er ein Dieb oder ein Betrüger. War das der Grund, warum er sich verkleidete – wie Robin Hood oder ein Bandit aus Tausendundeine Nacht? In diesem Moment wünschte ich, ich könnte Signor Pontorbo noch einmal sehen, wenn auch nur für eine Minute – um festzustellen, ob ich nicht in der Lage war zu erkennen, daß er tatsächlich nicht wirklich war, daß er dieses andere Gesicht darunter trug.
    Bruno schaute auf und überraschte mich dabei, wie ich ihn betrachtete. Er lächelte und hielt mir die Pfanne hin. »Essen Sie schnell, solange wir noch ein wenig Schwerkraft haben.«
    Captain Andreas kam herein und nickte seinem Herrn zu. Mich übersah er einfach. Er war in Eile, sammelte sein eigenes Essen und einen Kübel mit getrockneten Setzlingen für die Caeruleaner ein – für Mr. und Mrs. Caspar und ihre Kinder. Sie kamen nur selten unter Deck, sondern zogen es vor, dort zu leben, wo sie arbeiteten: in der Takelage. Zwar muß man sie immer daran hindern, dort ihre Nester zu bauen, doch ansonsten sind sie freundliche Wesen, die einem aus der Hand fressen, wobei sie sich meist mit einem Fuß an einem Tau festklammern. Sie verständigen sich mit einem Japsen oder Wimmern, sind aber nicht fähig, eine andere Sprache zu erlernen.
    Captain Andreas war Grieche und sprach kein Englisch, noch verstand er etwas, das er nicht unbedingt verstehen mußte. Er hatte ein volles Gesicht mit großen Ohren und groben Wangen, auf denen die jahrelange starke Strahlung des Raums ihre Spuren hinterlassen hatte. Die äußerliche Verwandlung seines Herrn nahm er gleichmütig hin. Und was meine Anwesenheit auf seinem Schiff betraf, so hätte Bruno ebenso gut ein Kätzchen mit an Bord bringen können. Vermutlich hatte der Captain schon viele seltsame Passagiere befördert, Gefangene, Entflohene. Er packte das Essen für sich und die Mannschaft zusammen und begab sich wieder ans Ruder.
    Bruno schlürfte eine Tasse mit heißem Wasser, in das er ein paar Beeren gegeben hatte. Ich spielte mit meinem Essen herum und versuchte, den gesamten Pfanneninhalt auf einmal

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