Sophies Kurs
schlanker Raumkreuzer, dessen Hülle in schlichtem Grau gestrichen war. Am Heck prangte in blauen Buchstaben der Name:
Giaconda.
»Das ist es, Miss Clare. Ich bin der Kommandant.« In seiner Stimme schwang eine Spur Trotz mit, als ärgere er sich darüber, daß jemand seinen Besitz in Frage stellte. In einiger Entfernung vom Pier befand sich ein glühendes Feuer, das gut mit Kohle bestückt war. Eine Caeruleaner-Familie hockte davor und wärmte sich die Hände – Mutter, Vater und eine Reihe von Sprößlingen. Der größte von ihnen reichte nicht bis zum Rand des Kohlebeckens. Sie hockten aufrecht am Boden und hielten ihr Gleichgewicht mit den starken Schwänzen. Sie hatten einen Schirm aufgestellt, eine gestreifte Decke, die sie zwischen drei Pfähle gespannt hatten. Ich wußte, daß sich dahinter die Eingeborenen in den Sand duckten.
»Wem gehört dieses Gelände?«
»Es gehört einer professionellen Brüderschaft, in der ich Mitglied bin«, antwortete Signor Pontorbo knapp.
»Sind die Mitglieder alle Maler?« Ich weiß nicht mehr, was ich mir damals darunter vorstellte. Vielleicht eine Brüderschaft von Landschaftsmalern, die zwischen den Welten herumvagabundierten.
»Sie müssen sich jetzt ausruhen, Miss Clare«, instruierte er mich. »Zu dieser Jahreszeit wird es keine einfache Passage durch die Sandbänke von Callisto werden.«
Ein untersetzter Mann mit einem Dreispitz und einem ungewöhnlichen dunkelgrauen Raumanzug trat auf das Deck der
Giaconda
hinaus und wickelte ein Seil am Unterarm auf. Er hatte dichte schwarze Augenbrauen und einen schwarzen Bart. Er sah so aus, als könne ihn nichts mehr überraschen. Ich bemerkte, daß Signor Pontorbo ihm mit den Fingern kurz ein Zeichen gab. Also kannte er die Zeichensprache der Raumfahrer. Welch ein fähiger junger Mann er doch ist, dachte ich. Entweder das oder ein Freimaurer. Ich erinnere mich, daß Papa in High Haven immer gegen die Freimaurer gewettert hatte. Sie seien schlimmer als die Methodisten – wenn ich das noch richtig im Gedächtnis habe.
Signor Pontorbo stellte mir den Mann als Captain Andreas vor und begann sofort, in einer fremden Sprache auf ihn einzureden. Ich weiß nicht, ob es Sizilianisch oder Griechisch oder vielleicht sogar ein marsianischer Dialekt war. Ich hörte ihn meinen Namen nennen, verstand aber sonst kein einziges Wort. Inzwischen hatte sich meine Überraschung und Freude beim Anblick des versteckten Hafens in pure Verwirrung gewandelt. Ich war müde, und mir schmerzten die Glieder von den Strapazen. Ich wollte mich unbedingt niederlegen und schlafen.
Ich schaute zu den Caeruleanern hinüber. Der Vater winkte kurz zu uns herüber, dann senkte er den Kopf und hüpfte auf seinen kräftigen Hinterläufen herbei. Ich weiß nicht, ob Sie je einen Caeruleaner zu Gesicht bekommen haben. Sie sind drahtig und gelenkig, sehen aus wie eine Kreuzung zwischen Eichhörnchen und Affe, obwohl ihr Gesicht eher dem eines Fuchses ähnelt. Und dabei schimmern sie so blau wie die sonnenbeschienene See auf der Erde. Dieser hier wirkte sehr aufgeregt und erfreut. Er begrüßte uns, kläffte mit piepsiger Stimme, umrundete mich und sprang dann wie ein Terrier an Signor Pontorbo hoch.
Der Maler schien über diesen Freudenausbruch nicht sonderlich glücklich. Er befahl dem kleinen Mann in herrischem Ton, sich ruhig zu verhalten, legte mir die Hand auf die Schulter und dirigierte mich zur Gangway, die an der Seite des sanft schwankenden Schiffes heruntergelassen war. Doch dann zwang er mich überraschend stehenzubleiben. Sein Griff verstärkte sich schmerzhaft, wurde zu Eisen.
Zuerst konnte ich nicht erkennen, was es war. Ich dachte, es sei ein Knochen, der am Fuß der Gangway lag. Plötzlich bewegte sich das Wesen und glitt rasch davon, als spüre es die Gefahr, in der es schwebte. Es war eine weiße Wüstenschlange, zweifellos von der Wärme des Feuers aus ihrer Felsspalte gelockt. Diese Tiere sind ungefährlich, denn sie haben weder ein Gebiß noch Giftstachel.
Signor Pontorbo trat von mir zurück, und ich hörte ein leises Surren, als ob etwas über meine Schulter hinweg durch die Luft flog – und dann sah ich ein langes silbernes Messer in den Planken der Gangway federn. Unter seiner Spitze wand sich das kleine Tier im Todeskampf. All das hatte sich im Bruchteil einer Sekunde abgespielt, und schon spürte ich wieder Signor Pontorbos Hand auf meiner Schulter, die mich vorwärts schob. »Miss Clare,
se volete,
gehen Sie.«
Die sterbende
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