Sorge dich nicht - lebe
‹Weit hält, eng zerreißt.› Und entsprechend zog sie mich an. Ich ging nie zu Partys, nie konnte ich lustig sein, und in der Schule spielte ich nicht mit den andern im Hof. Ich war entsetzlich scheu. Ich hatte das Gefühl, anders zu sein als die andern. Kein Mensch mochte mich.
Als ich erwachsen war, heiratete ich einen ein paar Jahre älteren Mann, doch ich änderte mich nicht. Meine angeheirateten Verwandten waren selbstsichere und ausgeglichene Menschen, genau das, was ich in keiner Weise war. Ich bemühte mich sehr, so zu sein wie sie, doch es gelang mir nicht. Alle Versuche von ihnen, mich aus meinem Schneckenhaus zu locken, schlugen nur ins Gegenteil um. Ich wurde nervös und gereizt. Ich mied meine Freunde. Es wurde so schlimm, dass ich schon allein vor dem Klingeln der Türglocke Angst hatte. Ich war ein Versager. Ich wusste es, und ich machte mir Sorgen, mein Mann würde es merken. Wenn wir mit andern Leuten zusammen waren, spielte ich deshalb die Fröhliche und übertrieb natürlich. Hinterher war ich tagelang unglücklich. Schließlich wurde es so schlimm, dass es mir sinnlos erschien, noch länger weiterzuleben. Ich dachte immer häufiger an Selbstmord.»
Was brachte den Umschwung in das Leben der unglücklichen Frau? Es war nur eine beiläufige Bemerkung.
«Eine beiläufige Bemerkung verwandelte mein ganzes Leben», schrieb Edith Allred weiter. «Meine Schwiegermutter erzählte einmal, wie sie ihre Kinder erzogen habe, und sagte unter anderem: ‹Ganz gleich, was passierte, ich bestand immer darauf, dass sie sich selbst treu blieben … › – ‹Sich treu bleiben!› Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Blitzartig erkannte ich, dass an meinem ganzen Elend meine Versuche schuld waren, mich in eine Form zu pressen, in die ich nicht hineinpasste.
Ich veränderte mich von einem Tag auf den andern. Ich fing an, ich selbst zu sein. Ich versuchte, meine eigene Persönlichkeit zu erforschen, herauszufinden, was ich war, meine Stärken und Schwächen zu entdecken. Ich las alles Mögliche über Farben und Mode und zog nur das an, was mir meiner Meinung nach stand. Ich bemühte mich, Freunde zu finden, und trat einer Organisation bei, zuerst war es nur eine kleine. Wenn man mich bat, zu irgendeinem Thema etwas zu sagen, war ich am Anfang vor Schreck wie erstarrt. Trotzdem äußerte ich mich jedes Mal, und mein Mut wuchs. Es dauerte alles sehr lange – aber heute bin ich so glücklich, wie ich es nicht einmal im Traum zu hoffen gewagt hätte. Meine Kinder habe ich nach derselben Devise erzogen, deren Bedeutung ich erst nach bitteren Erfahrungen erkannte: Gleichgültig, was geschieht – bleib immer du selbst!»
Sich zu sich selbst bekennen zu können, ist ein Problem «so alt wie die Menschheit», sagte Dr.James Gordon Gilkey, «und so komplex wie das menschliche Leben selbst.» Es ist auch das versteckte Motiv vieler Neurosen und Psychosen und Komplexe. Angelo Patri hat dreizehn Bücher und Tausende von Zeitungsartikeln über das Thema Kindererziehung geschrieben, und er sagt: «Niemand ist so unglücklich wie derjenige, der etwas anderes oder jemand anders sein möchte als die Person, die er seinem Körper und seinem Geist nach ist.»
Diese Sehnsucht, jemand anders zu sein, nimmt vor allem in Hollywood immer mehr zu. Sam Wood, einer der bekanntesten Filmregisseure, erklärte, das größte Kopfzerbrechen machten ihm in dieser Beziehung junge, ehrgeizige Schauspieler. Und natürlich auch Schauspielerinnen. Sie wollten alle zweitklassige Lana Turners oder drittklassige Clark Gables sein. «Das Publikum kennt doch deren Art schon ganz genau», erzählt er ihnen immer wieder, «jetzt wollen die Leute was Neues!»
Ehe er Filme machte, wie zum Beispiel Good bye, Mr.Chips oder Wem die Stunde schlägt , arbeitete Wood jahrelang als Makler, vor allem in der Verkaufsschulung. Er behauptete, dass in der Welt des Films dieselben Gesetze gelten wie im Geschäftsleben. Mit Imitationen kommt man nicht weit. Man kann kein Papagei sein. «Die Erfahrung hat mich gelehrt», sagt Sam Wood, «dass es das Klügste ist, Leute, die nicht echt sind, möglichst schnell abzuschieben.»
Ich fragte Paul Boynton, damals Personalchef einer der größten Ölfirmen, was für Fehler Stellenbewerber hauptsächlich machen. Schließlich musste er es wissen: Er hatte mit mehr als 60 000 gesprochen! Er schrieb auch ein Buch über das Thema. Es heißt: Sechs Methoden, einen Job zu finden . Er antwortete mir: «Der größte Fehler, den
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