Sorge dich nicht - lebe
konnte kein Material, keine Ersatzteile bekommen. Ich hatte Angst, alles aufgeben zu müssen. Ich machte mir so viele Sorgen, dass ich ein richtiger alter Nörgler wurde, immer übelnehmerisch und verärgert – na ja, damals wusste ich das natürlich noch nicht. Aber heute ist mir klar, dass ich beinahe kein glückliches Zuhause mehr gehabt hätte. Dann sagte eines Tages ein junger Kriegsversehrter, der bei mir arbeitete: ‹Du solltest dich was schämen, Johnny! Du benimmst dich, als wärst du der einzige Mensch auf dieser Welt, der Sorgen hat. Angenommen, du musst tatsächlich für eine Weile schließen – na und? Wenn sich die Dinge normalisiert haben, kannst du wieder weitermachen. Du hast eine Menge, wofür du dankbar sein solltest. Aber nein – du meckerst nur immer! Mein Gott, ich wünschte, ich wäre an deiner Stelle! Sieh mich mal an! Ich habe nur noch einen Arm, das halbe Gesicht wurde mir weggeschossen, und trotzdem beklage ich mich nicht. Wenn du nicht aufhörst zu meckern und zu schimpfen, wirst du nicht nur deine Firma verlieren, sondern auch deine Gesundheit, dein Zuhause und deine Freunde!›
Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Mir wurde klar, wie gut ich es eigentlich hatte. In jenem Augenblick beschloss ich, mich zu ändern und wieder zu werden wie früher – ein netter, ordentlicher Kerl. Und ich schaffte es.»
Bei einer Freundin von mir, Lucile Blake, wäre es beinahe zu einer Katastrophe gekommen, ehe sie lernte, mit dem glücklich und zufrieden zu sein, was sie besaß, und nicht darüber nachzugrübeln, was ihr fehlte.
Ich lernte Lucile vor Jahren kennen, als wir beide an der Columbia-Universität studierten und Vorlesungen über das Schreiben von Kurzgeschichten besuchten. Später, als sie in Tucson in Arizona wohnte, erlebte sie den Schock ihres Lebens. Damals – doch lassen wir sie die Geschichte selbst erzählen:
«Damals waren meine Tage voll Hektik. Ich studierte Orgel an der Universität von Arizona, leitete in der Stadt ein Sprechzentrum und gab auf der ‹Desert Willow Ranch›, auf der ich wohnte, Musikunterricht. Dazu nichts als Partys, Tanzereien, nächtliche Ausritte. Eines Morgens klappte ich zusammen – mein Herz! ‹Sie müssen ein Jahr im Bett bleiben und dürfen sich nicht aufregen!›, erklärte der Arzt. Er machte mir keine Hoffnungen, dass ich je wieder ganz gesund und kräftig werden würde.
Ein Jahr im Bett bleiben! Nie wieder gesund werden – vielleicht sogar sterben! Ich war außer mir vor Entsetzen! Warum musste das gerade mir passieren? Womit hatte ich das verdient? Ich jammerte und weinte. Ich rebellierte und wütete. Doch ich blieb im Bett, wie der Arzt es mir geraten hatte. Ein Nachbar, Rudolf, ein Maler, sagte zu mir: ‹Du glaubst, ein Jahr im Bett zu liegen sei eine Tragödie. Aber es stimmt nicht. Endlich hast du Zeit, über dich nachzudenken und dich wirklich kennen zu lernen. Du wirst in den nächsten Monaten geistig mehr wachsen als in deinem ganzen bisherigen Leben.› Ich beruhigte mich etwas und versuchte, alle Dinge und ihren Wert neu zu sehen. Ich las viele gute Bücher. Eines Tages sagte ein Rundfunkkommentator: ‹Sie können nur das ausdrücken, was in Ihrem eigenen Bewusstsein ist.› Solche Worte hatte ich schon oft gehört, doch jetzt berührten sie mich tief und schlugen Wurzeln. Ich beschloss, nur noch positive Gedanken zu denken und danach zu leben: Gedanken der Freude, des Glücks, der Gesundheit. Ich zwang mich, jeden Morgen sofort nach dem Aufwachen alle Dinge aufzuzählen, für die ich dankbar sein musste: keine Schmerzen, eine reizende kleine Tochter, meine Sehkraft, mein Gehör. Schöne Musik im Radio. Zeit zum Lesen. Gutes Essen. Liebe Freunde. Ich war so heiter, und es kamen so viele Besucher, dass der Arzt ein Schild an meinem Häuschen anmachte, dass ich nur einen Besucher gleichzeitig haben dürfe und auch nur zu bestimmten Stunden.
Seitdem sind viele Jahre vergangen, und heute führe ich ein reiches, aktives Leben. Ich bin für jenes Jahr, das ich im Bett verbringen musste, tief dankbar. Es war die wichtigste und glücklichste Zeit in Arizona. Die Gewohnheit von damals, jeden Morgen meine Reichtümer zu zählen, ist mir geblieben. Sie ist für mich etwas sehr Wichtiges und Kostbares. Ich erkenne heute beschämt, dass ich erst wirklich zu leben lernte, als ich dachte, sterben zu müssen.»
Liebe Lucile, vielleicht ist es dir nicht bewusst, aber du hast die gleiche Erfahrung gemacht, die Dr.Samuel Johnson zweihundert
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