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»Sorry, wir haben uns verfahren«

»Sorry, wir haben uns verfahren«

Titel: »Sorry, wir haben uns verfahren« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Antje; Orth Blinda
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ICE
    Gegenmaßnahme: die Geschäftsleute-Variante um ein Praktikum, die DVD-Variante um einen Ohr­hörer bitten
    Die Mitteilsame
    Glaubt man, endlich ein ruhiges Plätzchen gefunden zu haben, macht dieses allzeit kommunikative Exemplar den Frieden zunichte. Die Mitteilsamen begreifen eine Bahnfahrt entweder als einmaliges Abenteuer, als Gelegenheit, interessante Menschen kennenzulernen, oder sie sind erfüllt von ihrer ­eigenen Lebens- und meist Leidensgeschichte. Neugierig ­fragen sie nach dem Flughafenzettel am Rucksack und sind beleidigt, wenn ihr Mitfahrer ihnen das Stichwort verweigert, um nonstop von ihren Urlauben der letzten 20 Jahre zu erzählen. Oder sie fangen unvermittelt an, von ihren Gebrechen, ihrem Ex oder ihrer Miniatureisenbahn zu erzählen, unbekümmert von der eisigen Stille, die ihnen entgegenschlägt. Manchmal treffen sie auch auf Gleichgesinnte. Dann ist zwar die unmittelbare Gefahr für die anderen Abteilgäste gebannt, sie müssen aber einen stundenlangen Dialog oder vielmehr zwei Monologe ertragen.
    Lieblingsaccessoire: Fotos ihrer (Ex-)Liebsten/Röntgenbilder
    Gesprächsthema: von A wie Arthrose bis Z wie ­Zypernurlaub
    Gegenmaßnahme: gleich klarstellen, dass Sie Ihr Hörgerät vergessen haben
    Der Allesesser
    Frisch gekochte Eier, Fast Food mit Knobi-Duft, Mettbrötchen oder Chips aus der 500-Gramm-Tüte: Erbarmungslos teilt sich dieser Bahnfahrer über Futtergerüche und -geräusche mit. Hingebungsvoll breitet er den Inhalt von Tupper-Dose und Plastiktüte auf dem Großraumtisch aus, ohne Rücksicht auf empfindlichere Sinne denn die seinen. Wenn er sich durch seine Speisen durchgeknuspert, -geraschelt und -geschmatzt hat, stopft er die Reste in den Tischmülleimer. Schon übervoll, schließt dieser sich kaum mehr, und sein Inhalt müffelt weiter vor sich hin. Wer zu diesem Zeitpunkt hofft, vor weiteren Stinkattacken sicher zu sein, wird regelmäßig ­gelinkt: Normalerweise hat der Allesesser einen nicht enden wollenden Vorrat an Lebensmitteln dabei und zerrt sogleich eine neue Köstlichkeit aus den Plastiktüten zu seinen Füßen.
    Lieblingsaccessoire: Salz und Pfeffer
    Gesprächsthema: »Oh, das hält sich auch ohne Kühlschrank so lange frisch?«
    Gegenmaßnahme: Immer einen Duft-Tannenbaum dabeihaben und deutlich sichtbar auf den Tisch ­legen
    Der Bahnverächter
    Dieser meist in Businesskluft gekleidete Mitfahrer wäre gerade wohl lieber in einem teuren Sportwagen oder im Flugzeug unterwegs – doch nun muss er sich wutschnaubend mit seinem Schicksal als Bahnpassagier arrangieren. Sollte ihm von der Reisestelle seines Unternehmens ein Zugticket statt der Mercedes-S-Klasse verordnet worden sein? Vielleicht musste er aber auch seinen Führerschein nach Flensburg abgeben. Auf jeden Fall nimmt er für die Degradierung Rache an seinen Mitreisenden: Unter dem Tisch machen seine blankpolierten Schuhe nicht einen Millimeter Platz, seine Ellenbogen arbeiten sich rücksichtslos auf der Lehne vor. Und mit seinem ­Notebook der neuesten Generation und seinem Arsenal an Smartphones verwandelt er den Tisch in sein Büro. Wer protestiert, der wird aggressiv angefahren. Grundsätzlich lehnt er es auch ab, beim Kofferverstauen zu helfen – könnte ja eine VW-Polo-Fahrerin sein, die er normalerweise mit seinem schnittigen Firmengefährt von der linken Autobahnspur weghupt.
    Lieblingsgepäckstück: der protzigste Aktenkoffer, der für Geld zu haben ist
    Gesprächsthema: feindliche Übernahmen
    Gegenmaßnahme: aus Versehen mit dreckigen Wanderstiefeln seine Lackschuhe streifen
    Die Dauerquasslerin
    Â»Schlag ihm eine Provision von zehn Prozent vor!«, »Ohne Intimrasur geht ja gar nicht!«, »Schätzelchen, das verletzt mich nun aber, hab ich gesagt; da hat er gesagt …« Die Dauerquasslerin teilt ihren Mitreisenden mehr aus ihrem Leben mit, als irgendjemand wissen will, und ruft quälendes Fremdschämen hervor. Falls sie Geschäftsfrau ist, macht sie auch gerne mal einen Mitarbeiter lautstark zur Schnecke, falls Schülerin, ist ihr Redefluss von einer Menge »Alta!« und »Ischwör!« durchsetzt. Wenn die Nonstop-Rednerin in ein Funkloch fällt, drückt sie verzweifelt auf den Tasten ihres Telefons herum. Hat das nicht den gewünschten Erfolg, schaut sie sich panisch um, ob sonst jemand etwa noch Empfang hat, oder starrt

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