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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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Geschichte wie diese zu bedeuten hat, und war überrascht, als er hörte, daß die zweite Frau tot ist. Frauke. Wie konnte in der kurzen Zeit, die er im Krankenhaus verbracht hat, so viel geschehen?
    – Eine Agentur, die sich entschuldigt?
    – Es war die Idee meines Bruders.
    – Dein Bruder muß ein kluger Kopf sein.
    – Bitte, das ist alles, was ich weiß. Können wir das jetzt beenden?
    Der Junge sah zur Kellertür.
    – Kann ich jetzt gehen? Ich weiß echt nicht mehr.
    Der Mann legte den Kopf schräg, der Junge sprach hastig weiter:
    – Es tut mir wirklich leid, was Ihrer Tochter passiert ist. Wir waren das nicht. Wir haben ihr nichts - - -
    – Und du hast Meybach nie gesehen? unterbrach ihn der Mann.
    – Ich habe Meybach nie gesehen. Wie oft soll ich das noch sagen?
    – Und wenn Meybach jetzt die Treppe herunterkommt und das Gegenteil behauptet, was wäre dann?
    – Dann wäre er ein Lügner.
    – Sag mir noch einmal seine Adresse.
    Der Junge wiederholte sie. Der Mann nickte, er war zufrieden.
    – Und Karl? fragte er.
    – Wer ist Karl?
    Der Mann lächelte.
    – Du weißt schon, wen ich meine.
    Der Mann las im Gesicht des Jungen, daß er wußte, wer Karl war. Er las aber noch mehr. Karl war nicht mehr.
    Der Mann stand auf, löschte das Licht und ging nach oben. Er überhörte das Rufen und Betteln des Jungen. Karl , dachte er, Fanni , dachte er und saß für eine Weile im Wohnzimmer und konnte an nichts anderes mehr denken als an seine Kinder.
     
    Stunden später kam der Mann wieder. Dieses Mal blieb er stehen.
    – Kann ich dir glauben?
    – Wieso sollte ich lügen?
    – Ich trage hier die Verantwortung, es wäre nicht gut, mich anzulügen.
    – Was für eine Verantwortung?
    – Die Verantwortung für dein Leben. Für das Leben deiner Freunde. Weißt du, was das alles bedeutet? Es ist eine Last. Ich bin ein alter Mann. Ich kann nicht mehr soviel tragen wie früher. Früher wäre das alles kein Problem gewesen, aber ich habe ein schwaches Herz. Ich friere und bin müde. Verstehst du?
    Der Junge verstand nicht.
    Der Mann sagte, es wäre nicht wirklich wichtig. Er legte die Hände auf die Knie und beugte sich vor, als würde er mit einem Fünfjährigen sprechen. Mit ruhiger Stimme sagte er:
    – Wir fangen am besten von vorne an. Sag mir, wieso ihr meine Kinder umgebracht habt?
    Der Junge begann zu weinen.
    – Was habt ihr Karl angetan? Wo ist er? Was habt ihr Fanni angetan? Und warum? Sprich mit mir, Junge, sprich mit mir.
    Der Junge kniff die Augen zu und sagte, er hätte schon alles erzählt, er wiederholte es immer wieder.
    – Ich habe alles erzählt, ich schwöre es.
    Der Mann lächelte nur.
    Da wurde der Junge laut.
    – W IR SIND EINE VERSCHISSENE A GENTUR , OKAY ? W IR ENTSCHULDIGEN UNS FÜR L EUTE , DIE KEINEN M UMM IN DEN K NOCHEN HABEN , ES SELBER ZU TUN , IST DAS ANGEKOMMEN ? B IN ICH DESWEGEN HIER ? B IST DU IRGENDEIN RELIGIÖSER F ANATIKER ? H AT DICH DIE K IRCHE GESCHICKT ?
    – Ich bin hier wegen Fanni, sagte der Mann ruhig. Ich bin hier wegen Karl. Niemand schickt mich.
    Die Stimme des Jungen wurde zu einem Flüstern, die Wut war gewichen, die Resignation setzte wieder ein.
    – Ich habe doch schon alles gesagt. Er hat uns glauben lassen, es wäre ein normaler Auftrag. Ich bin in diese Wohnung gekommen, und da war dann die Leiche der Frau ...
    – Fanni.
    – Ja, verdammt noch mal, Fanni! Wir haben doch nur getan, was er wollte. Er hat uns gedroht. Uns allen. Außerdem war sie ja tot.
    – Ich weiß. Ich war in der Wohnung, ich habe sie gesehen. Der Junge schüttelte den Kopf.
    – Außer uns war niemand da.
    Der Mann lächelte wieder.
    – Ich bin unschuldig, sagte der Junge. Wir alle sind unschuldig.
    – Nein, das sehe ich anders, sagte der Mann und richtete sich wieder auf. Wenn du unschuldig wärst, wärst du nicht hier. Ich bin die Strafe, verstehst du? Nein? Es ist ganz einfach. Das Leben hat eine ganz eigene Balance. Stell dir doch einmal die Frage: Wie hätte es mir gelingen können, dich hierherzubringen, wenn du unschuldig wärst? Balance ist alles. Du nimmst etwas, du gibst etwas. Du kannst nicht nur nehmen. Glaubst du nicht an die Balance? Glaubst du nicht an das Gute und das Böse? Ich bin hier das Gute, ich weiß das, ich bin mir nur nicht sicher, was du bist. Bist du das Böse?
    Der Junge bäumte sich auf. Das Nylonband schnitt in seinen Hals, es zog sich fester um seine Handgelenke. Der Junge ließ sich davon nicht zurückhalten. Seine Worte waren Gift.
    – Ich BIN DAS

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