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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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verstummt war, dann räusperte er sich und sagte:– Es ist egal, wo wir sind. Es ist egal, wer ich bin. Die Regeln sind ganz simpel. Ich werde dir Fragen stellen, und du wirst mir die Antworten geben. Wenn ich die Antworten nicht gut finde, gehe ich wieder und lasse dich warten. Ich kann das einen ganzen Tag lang tun. Ich halte eine ganze Woche durch. Wenn du möchtest, komme ich nie wieder. Aber du wirst wollen, daß ich wiederkomme. Du wirst mich anflehen, wiederzukommen. So ist es schon immer gewesen. Ihr seid alle gleich. Ihr wollt da oben frei sein.
    Er tippte dem Jungen gegen die Stirn. Sanft. Der Junge zuckte zurück. Sie sahen sich an. Der Junge, der ein Mann war, der kein Junge sein wollte. Und er. Der Mann, der nicht da war. Er stellte die erste Frage:
    – Wieso?
    – Was?
    – Sag mir, wieso.
    – Wieso was?
    – Wieso habt ihr sie umgebracht?
    Der Junge ist zurückgeschreckt, als hätte der Mann versucht, ihn zu schlagen. Es war wie eine Antwort. Der Mann findet, es war eine eindeutige Antwort.
    Schuld .
    – Ich habe keine Ahnung, von wem Sie reden.
    – Gut, sagte der Mann, gut. Laß uns noch einmal anfangen. Er sah den Jungen an, er wartete, dann wiederholte er:
    – Wieso habt ihr sie umgebracht?
    Der Junge blickte nach unten und spuckte aus. Der Mann betrachtete die Spucke auf dem Teppich. Plötzlich sprang der Junge auf. Der Mann blieb sitzen, er schreckte nicht einen Millimeter zurück. Die Schlinge schnitt in den Hals des Jungen und zog ihn auf den Stuhl zurück. Er saß wieder still, rot im Gesicht und schwer atmend.
    – Wenn du dich entspannst, läßt der Druck allmählich nach. Der Junge versuchte, sich zu entspannen.
    – Armer Junge.
    – Ich ... ich bin kein Junge, kam es gepreßt zurück.
    – Armer, armer Junge.
    – Ich sagte, ich ...
    Der Mann streckte die Hand aus und wischte dem Jungen eine Träne von der Wange. Der Junge wollte den Kopf abwenden und verzog wegen der Schlinge das Gesicht.
    – Fanni.
    – Was?
    – Ihr Name war Fanni.
    – Ich kenne keine Fanni.
    – Sie war meine Tochter. Erst seid ihr mit ihrer Leiche in den Wald gefahren, doch dann ist etwas geschehen. Ihr habt euch gestritten, nicht wahr? Ihr habt es euch anders überlegt und sie auf eurem Grundstück vergraben. Warum nur?
    Der Junge wollte antworten, der Mann hob die Hand.
    – Versuch nicht, es zu leugnen. Ich habe alles beobachtet, verstehst du? Ich habe es gesehen. Ihr Name war Fanni. Sie war meine Tochter, und sie liegt jetzt zwei Stockwerke über uns.
    Der Junge schaute an die Kellerdecke; als er den Blick wieder senkte, hielt ihm der Mann seine Hände entgegen.
    – Ich mußte Fanni mit meinen eigenen Händen ausgraben. Es war sehr würdelos, was ihr meinem Mädchen angetan habt. Wie konntet ihr sie nur an eine Wand nageln? Sag mir, wieso ihr das getan habt? Komm, sprich mit mir. Wieso nur?
    Der Junge senkte den Kopf, seine Stimme war ein Murmeln.
    – ... Scheiße, o verdammte Scheiße, ich wußte doch, daß wir damit nicht durchkommen. Ich wußte, wußte, wußte es, ich ...
    Der Mann ließ den Jungen reden, er war geduldig, er hatte in seinem Leben viele Jungen erzogen und spürte, wann sie brachen und wann sie wieder heilten. Dieser Junge bildete keine Ausnahme. Der Mann wartete und sagte kein einziges Wort. Dann fing der Junge an zu erzählen.
     
    Das war gestern, jetzt ist ein neuer Tag angebrochen, es ist Sonntag, 9.21 Uhr, und das Mädchen und der Bruder rennen aus der Villa. Sie sind barfuß, sie müssen eben aufgewacht sein. Der Mann stellt sich vor, wie einer von ihnen aus dem Fenster gesehen und die Lilien auf der Erde entdeckt hat. Jetzt rennen sie. Der Mann wünscht sich, er könnte den Ausdruck auf ihren Gesichtern noch deutlicher erkennen. Den Moment anhalten und sie von allen Seiten betrachten.Und könnte er die Zeit einfrieren, dann würde er das Boot nehmen, hinüberrudern und sich neben sie stellen. Er möchte ihre Furcht riechen. Geruch verrät soviel. Er weiß nicht, auf wen er das Fernglas fokussieren soll, also versucht er, sie beide gleichzeitig im Auge zu behalten. Wie sie sich auf die Erde knien und die Lilien beiseite schieben und zu graben beginnen. Sie benutzen ihre Hände. Sie denken nicht an den Spaten im Schuppen. Noch nicht. Er sieht ihnen zu, ihre Münder bewegen sich, dann springt das Mädchen auf und rennt zum Schuppen.
    Kluges Mädchen , denkt er.
     
    Der Mann hat gestern Stück für Stück von dem Jungen die Wahrheit erfahren. Er hat sich gewundert, was eine

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