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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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VERSCHISSENE G UTE , DU KRANKER W ICHSER . Du HAST MICH HIER FESTGEBUNDEN , du HAST MICH VERSCHLEPPT UND FESTGEBUNDEN . S IE WAREN SCHON TOT , ALS WIR SIE GEFUNDEN HABEN . K APIERST DU DAS NICHT ? D EINE T OCHTER UND DEIN S OHN waren schon tot .
    Der Junge sank wieder im Stuhl zusammen. Das Gesicht dunkelrot, die Atmung schwer. Der Mann sah, daß das nicht mehr lange gutgehen würde. Er sagte ihm, was er dachte. So war das schon immer gewesen.
    – Und wie klang das eben? Wenn du mich fragst, klang das nicht wie das Gute. Das Gute ist wie ein Lied. Es ist Melodie. Das hier war kein Lied, ich habe keine Melodie gehört. Sag mir, fühlst du dich schuldig?
    Leise, mickrig:
    – Ja, natürlich, natürlich fühle ich mich schuldig.
    – Kann ich dich denn so gehen lassen?
    – Bitte, ich sagte doch, daß es mir leid tut.
    – Ich fragte, ob ich dich so gehen lassen kann.
    Der Junge nickte. Hoffnung war in seinem Blick . Der Mann ging zur Werkbank und nahm den Kissenbezug.
    – Das ist nicht nötig, sagte der Junge hastig und wandte das Gesicht ab.
    – Das ist sehr wohl nötig, ich will nicht, daß du erfährst, wo du mich finden kannst. Für wie dumm hältst du mich?
    Er zog dem Jungen den Kissenbezug über den Kopf. Er legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. Er sagte ihm, daß alles gutgehen würde. Er sagte ihm auch, daß er sich keine Sorgen machen sollte.
    – Sei ruhig, sagte der Mann und injizierte dem Jungen das Isofluran in den Oberarm.
     
    Es sind keine zwei Minuten vergangen, seit das Mädchen und der Bruder aus der Villa rannten. Der Mann hat das Gefühl, die Zeit zu kontrollieren. Jedesmal, wenn er den Atem anhält, erstarrt da draußen alles und setzt sich erst wieder in Bewegung, wenn er ausatmet.
    Der Bruder kniet auf der Erde und gräbt ununterbrochen. Als das Mädchen ohne Spaten aus dem Schuppen kommt, ignoriert er sie und gräbt weiter. Der Mann weiß, was das Mädchen sagt. Er kann es von ihren Lippen ablesen. Die Spaten sind weg. Er könnte ihr zurufen, wo sie die Spaten finden würde. Der Mann hat dafür gesorgt, daß sie es nicht leicht haben. Er will, daß sie zum Ursprungzurückkehren. Er will sie auf der Erde knien und gegen das Schicksal ankämpfen sehen. Er will, daß sie die größten Zweifel durchleben. Und während er sie da graben sieht, denkt er: Es ist nicht die Schuld, mit der ihr lebt, es ist euer Versagen, das euch im Dreck knien läßt. Der Mann ist zufrieden mit diesem Gedanken. Alles schließt sich. Er hebt die Hand und legt sie an das Fensterglas, als würde er ihnen zuwinken. Er bemerkt den Dreck unter seinen Fingernägeln und nimmt die Hand wieder herunter. Er schließt die Augen und fragt sich, wie es wäre, ihren Schmerz mit seinem zu verbinden. Es wäre die reinste Form der Gefühle. Es wäre Liebe.

TAMARA
    Tamara will nicht glauben, daß die Spaten verschwunden sind. Sie weiß genau, an welcher Wand sie gelehnt haben. Sie tobt durch den Schuppen, sie wirft die Schubkarre um und ist so sehr in Panik, daß der Raum vor ihren Augen zu beben scheint. Sie schaut in die Ecken, sie schaut hinter den Fahrrädern, sie rennt wieder nach draußen.
    – Die Spaten sind weg!
    Kris reagiert nicht, seine Hände schaufeln die Erde beiseite, Schweiß läuft ihm in die Augen, der Atem verläßt zischend seinen Mund. Tamara kann sehen, daß er nicht einmal mitbekommen hat, daß sie weg gewesen ist. Sie hockt sich neben ihn. Sie graben weiter.
     
    Ihre Arme werden mit jeder Bewegung schwerer und schwerer. Tamara kann nicht mehr. Ihre Finger bluten, die Knie schmerzen. Kris dagegen gräbt wie eine Maschine. Er schaufelt die Erde nach hinten, rammt seine Finger wieder in den Dreck, hockt unermüdlich in der ausgehobenen Grube. Und während Tamara ihn einen Moment lang beobachtet, begreift sie, was falsch an dieser Situation ist. Ihr Herz setzt einen Schlag aus, und sie spürt ein Lachen in sich aufkommen. Hysterie pur.
    – Er ist nicht hier, sagt sie.
    Kris macht weiter, Tamara packt ihn am Arm.
    – Kris, er ist nicht hier, wiederholt sie betont. Das ist ein übler Scherz.
    Kris sieht sie an. Endlich , denkt Tamara und wünscht sich im selben Moment, er würde weitergraben. Etwas in seinen Augen. Blank, hart, fremd.
    – Laß mich los.
    – Wolf liegt hier nicht, Meybach spielt mit uns. Es ist doch Unsinn, denk doch mal nach, wieso sollte er - - -
    – Tamara, laß mich los, oder ich breche dir den Arm!
    Sie zuckt zurück und läßt ihn los. Kris gräbt weiter. Er sieht sie nicht mehr

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