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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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hierhergeführt hat.
    Tamara?
    Tamara kam in der Nacht zu ihm. Erst war da das Schnappen der Tür, und im nächsten Moment lag sie an seiner Seite, und er spürte ihre Nacktheit. Sie war ihm vertraut und fremd zugleich.
    Seine Stimme:
    – Wie lange wollen wir das machen?
    Ihre Stimme:
    – Nicht mehr lange. Wir erzählen es Kris morgen.
    Sex. Sie hatten sich geliebt, das weiß er noch ganz genau. Danach lagen sie in der Dunkelheit, und er hatte das Gefühl, von innen heraus zu leuchten. Sie waren zufrieden. Irgendwann setzte Tamara sich auf und wollte gehen. Wieder seine Stimme:
    – Bleib doch.
    Er hatte damit nicht nur gemeint, daß sie bei ihm im Bett bleiben sollte. Er hatte auch gemeint: Bleib an meiner Seite, solange es geht . Er hatte gemeint: Für immer.
    Sie hatte ihn geküßt, sie hatte nicht gewollt, daß Kris durch einen dummen Zufall alles herausfand. Sie hatte gewollt, daß er es von ihnen hörte, also ließ Wolf sie gehen. Ein letzter Kuß. Die Schritte, das Schließen der Tür.
    Die Augen. Ihm waren die Augen zugefallen. Zufriedenheit, Erschöpfung. Er hatte dagelegen und sich das Gefühl bewahrt, sienoch an seiner Seite zu spüren. Den Abdruck auf der Matratze, ihre Wärme. So war er eingeschlafen und hatte von Erin geträumt. Endlich war sie wieder da. Auch daran erinnert er sich im Detail. An seine Erleichterung.
    Sie lagen auf einem Hügel. Keine Stadt war zu sehen, keine Straße, nur fließende Baumkronen. Er spürte Erin neben sich. Da war der Wind, der über sie hinwegstrich, als wären sie beide ein Teil der Landschaft; da war ein Vogel, der nach einem anderen Vogel rief, und dazwischen ganz klar und deutlich Erins Atmen. Sprich mit mir , dachte er, und Erin begann zu sprechen und schmiegte sich eng an seine Seite, und ihre Küsse bedeckten seinen Hals und wanderten hoch zu seiner Wange, bis er ihre Lippen auf seinen spürte, und dann sah er sie endlich. Endlich. Ihre Augen, ihr Haar. Wie sie ihn beobachtete, als würde es nichts anderes auf der Welt geben, nur sie und ihn, und er schloß vor Zufriedenheit die Augen und wußte, er konnte ihr nicht von Tamara erzählen, niemals könnte er Erin so gehen lassen, denn da war dieses vertraute Wispern, wenn sie ihre Bluse auszog, da war diese Stille, und das Sonnenlicht auf ihrer Haut brachte alles zum Schweigen. Werd wach , sagte Erin. Und er lächelte und hielt die Augen geschlossen. Bitte, werd wach. Und er hörte auf zu lächeln, denn da war etwas in ihrem Tonfall, was er nicht kannte. Hörst du, werd wach. Und er öffnete die Augen, und der Hügel und Erin waren verschwunden, die Landschaft war ein Zimmer in einer Villa fernab von der Realität seiner Träume, und er sah einen alten Mann auf seiner Brust sitzen, und der alte Mann nickte, als wäre er mit Wolfs Erwachen zufrieden, und der alte Mann beugte sich vor und ließ Wolf wieder in der Dunkelheit verschwinden.

DER MANN, DER NICHT DA WAR
    – Jetzt, da es dir bessergeht, werden wir uns unterhalten, sagte der Mann und zog dem Jungen den Kissenbezug vom Kopf. Der Mann sah, wie der Junge die Augen zusammenkniff, das Deckenlicht blendete, die Reaktion war normal. Ihre Blicke begegneten sich, und der Mann be obachtete neugierig die blanke Wut in den Augen des Jungen und war nicht überrascht. Sei ruhig wütend. Der Junge schaute an sich hinab, und aus der Wut wurde Panik. Er saß nackt auf dem Stuhl, und seine Füße waren an den Stuhlbeinen festgebunden. Was er nicht sehen konnte, waren die Hände hinter seinem Rücken. Der Mann hatte sie mit einem Nylonband gefesselt, er hatte das Nylonband durch einen Wandhaken gezogen, das zu dem Jungen zurückführte und als Schlinge um seinen Hals lag. Der Mann wollte keine Risiko eingehen. Er sagte es dem Jungen. Er sagte ihm auch, daß Erziehung ein elementarer Bestandteil des Lebens ist. Und das gilt für jeden, ob Mädchen oder Junge.
    – Ich bin kein Junge! sagte der Junge. Mein Name ist Wolf Marrer. Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt und würde gerne wissen, was diese Scheiße soll?
    Fragen. Der Junge hatte so viele Fragen. Seine Augen suchten einen Ausweg. Er versuchte den Raum zu verstehen. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand.
    – Wo bin ich hier?
    – Warum bin ich nackt?
    – Wer sind Sie?
    So viele Fragen. Und jetzt:
    – Sind Sie Meybach? Sind Sie dieses verdammte Arschloch? Ich dachte, es wäre vorbei. Sie haben gesagt, daß Sie verschwinden. Was haben wir Ihnen jetzt getan?
    Eine Flut von Fragen. Der Mann wartete, bis der Junge

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